Miau und hallo, meine zauberhaften Leser*innen,
2024 bleibt wahrlich aufregend, kann euch sagen. Ich hatte noch keine Chance gehabt, die Ereignisse, von denen ich euch in der letzten Geschichte (=> 18. Familientreffen der besonderen Art) erzählt habe, annähernd zu verarbeiten, da ging es schon actionreich weiter und Socke bekam die Gelegenheit, Superheld zu spielen, eine Rolle, die der schräge Kerl mehr liebt als alles andere.
Ich denke, ihr erinnert euch alle noch gut an ihn, oder? Springs Cousin, der den Auftrag übernommen hatte, Brigitta, die Amtsleitung, für uns auszuspionieren?
(Falls nicht: 15. Socke)
Nun, Socke hatte es beeindruckend schnell geschafft, dass Brigitta ihn mochte und in ihrem Büro liebevoll umsorgte. Tagsüber. Zum Feierabend setzte ihn die Dame nach wie vor die Tür und weigerte sich strikt, ihn mit nach Hause zu nehmen, obwohl Socke ihr Abend für Abend hartnäckig zu ihrem Auto folgte und versuchte, hineinzuspringen. Jedes Mal wurde er sehr energisch daran gehindert. Brigittas Begründung, säuselnd vorgetragen, lautete:
„Zuhause fusselst du mir doch nur alles voll, Katerlein. Besser du bleibst hier.“
Socke war frustriert – und zwar nicht nur darüber, dass sein Name wohl weiterhin „Katerlein“ bleiben würde. Um einen guten Überblick über Brigittas Aktivitäten zu bekommen, reichte es nicht, Brigitta nur im Büro auszuspionieren, wie er feststellte. Dort verhielt sie sich komplett unauffällig. Keine Hinweise auf konspirative Treffen mit Unheilvollen.
Nach einigen Wochen fasste er also einen neuen Plan, wie es ihm gelingen könnte, Brigitta in ihrer Wohnung zu überwachen. Kurzentschlossen täuschte er vor, krank zu sein. Er verweigerte die Leckerlies, lag scheinbar völlig ermattet auf seinem Kissen im Büro, seufzte hin und wieder schwer und mauzte jämmerlich, wenn Brigitta versuchte, ihn zu streicheln. Spring und ich erhielten im Nachhinein eine kleine Kostprobe seiner Schauspielerei. Ich sag’s mal so, ich hätte ihm auch geglaubt, das war oscarreif.
Er zog die Nummer an einem Freitag ab, in der Hoffnung, dass Brigitta doch nicht so herzlos war, einen kranken Kater ein ganzes Wochenende draußen und allein zu lassen. Und er lag richtig. Wenn auch widerstrebend, nahm sie ihn mit nach Hause, unter der „Androhung“, ihn am Montag in eine veterinärmedizinische Praxis zu schleppen, sollte es ihm dahin nicht besser gehen. Das ganze Wochenende umsorgte sie ihn, kochte Schonkost aus Hühnchen für ihn und ließ ihn nachts sogar in ihrem Schlafzimmer auf einem Kissen schlummern. Socke spielte weiter den Kranken, achtete darauf, sich äußerst brav zu benehmen, und befreite, wenn Brigitta schlief, die Wohnung mit Hilfe von ein wenig Magie von sämtlichen Katzenhaaren.
Bereits in der Nacht zu Samstag durchsuchte er den Schreibtisch seiner Gastgeberin gründlich und bekam als erstes ihr Tagebuch in die Pfoten. Die Einträge darin waren größtenteils unspektakulär: ein paar erstaunlich liebevolle Bemerkungen über ihn, das „Katerlein“, lange Passagen über den Job und ein paar Bemerkungen über das Wetter. Doch dann sprang ihm ein Absatz ins Auge, der es wert war, genauer gelesen zu werden, berichtete er Spring und mir bei einem unserer Treffen stolz und begann zu zitieren:
„Ich hoffe doch sehr, dass H. sich bald meldet. Wie gern würde ich mich mit Gleichgesinnten vernetzen! Seine Ideen, ein Netzwerk zu schaffen, um dann die jetzige Regierung zu stürzen, klangen äußerst interessant, doch ich weiß nicht so richtig, wo ich anfangen soll, mit dem Knüpfen von neuen Kontakten.“
H. Wie „Heinz“. Also die magische Hyäne Rosalie in Menschengestalt. (Ämtergeschichten). Sie gehört genau wie ihre Schwester zu den wenigen magischen Tieren, die ihre Gestalt wechseln können. Auch wenn sie bei den folgenden Ereignissen konsequent als Heinz, also in Menschengestalt, auftritt, werde ich der Einfachheit halber nur von Rosalie sprechen.
Der bis dato letzte Eintrag zu dem Thema war noch nicht alt und lautete laut Socke:
„Immer noch nichts von H. Vielleicht sollte ich nicht weiter auf ihn setzen, vermutlich hat er mich inzwischen einfach vergessen. Ich denke, ich werde mich doch endlich der Partei, mit ich schon so lange sympathisiere, anschließen. Die hat schließlich die gleichen Ziele wie diese Untergrundbewegung von H., von der ich ja noch nicht wirklich viel weiß. Und manche seiner Ideen erschließen sich mir nicht, wie die Einführung des neuen Papiers. Der habe ich ja vor allem zugestimmt, um sein Vertrauen zu gewinnen. Mir ist bis heute nicht klar, was das bringen soll. (Nix, das hat Rosalie nur aus Rache an mir veranlasst, damit ich Anna nicht mehr helfen kann) Die Klienten bekommen doch immer noch viel zu viel Geld und zu viel Unterstützung. (Als Socke das zitierte, hatte ich vor Wut Schaum vor dem Mund!) Ich muss mal schauen: Den Mitgliedsantrag habe ich ja schon eine Weile. Vielleicht kann ich auch so etwas verändern.“
Aufgeregt durchforstete Socke sogleich die Schreibtischschubladen und fand in der Tat einen Antrag auf Mitgliedschaft in einer Partei, von der ich hoffe, dass keins von euch Lesenden mit ihr sympathisiert. Ich bin schließlich ein links-grün-versiffter Zauberkater, miau. Socke ebenfalls und so vernichtete er den Antrag, indem er ihn mit Magie in winzige Schnipsel zerlegte und diese zum Fenster hinaus ins Universum pustete. Was Socke tut, tut er gründlich. Natürlich war das nur eine vorübergehende Lösung, aber besser als gar keine.
Nach dem Lesen des Tagebuchs verwarf er den Plan, sich demnächst als magischer Kater zu outen. Den Einträgen nach zu urteilen, wusste Brigitta nichts von der Magischen Welt und schien zu glauben, dass Rosalie Teil einer menschlichen Untergrundorganisation sei. Daran wollte er nicht rühren und vermutlich hatte er sowieso die besseren Karten, mehr über Brigittas Aktivitäten herauszufinden, wenn er sich als harmloses, ausgesprochen braves und vor allem fusselfreies „Katerlein“ inszenierte.
Das Wochenende reichte Socke tatsächlich, um sich so in Brigittas Herz zu schleichen, dass sie ihn am Montag nach Dienstschluss wieder mit zu sich nach Hause nahm, obwohl er aufgehört hatte, den Kranken zu spielen. Besonders begeistert zeigte sich Brigitta davon, dass er kaum haarte. Ich muss sagen, er hat das gut eingefädelt.
Über den Sommer hatte ich ihn besser kennenlernen können, bei unseren regelmäßigen Treffen, in denen er Spring und mir berichtete, wie es mit Brigitta so lief. Allmählich verstand ich, was Spring so an ihrem Cousin schätzte. Hinter seiner Clownsfassade steckt ein sehr liebenswerter und einfühlsamer Kater. Sein Hang zu Dramatik, zu Inszenierungen, Schauspielerei und albernen Scherzen nervt mich hin und wieder noch, ja. Doch seinen Auftrag nimmt er sehr ernst und Spring gegenüber ist er absolut loyal. Genau wie ich würde er für meine Liebste durchs Feuer gehen.
Doch so wirklich Spannendes hatte er nicht zu erzählen. Brigittas Privatleben war genauso langweilig wie ihr Job. Nachdem weitere Wochen ins Land gezogen waren, ohne dass sie etwas von Rosalie hörte, besorgte sie sich einen neuen Antrag für diese Partei, nachdem sie den ersten aus unerklärlichen Gründen nicht mehr auffinden konnte. Dieses Mal vernichtete Socke diesen nicht sofort, sondern wartete ab, bis sie ihn ausgefüllt in den Briefkasten geworfen hatte, und fischte ihn dann mit Magie wieder heraus. Verstößt total gegen die Regeln des Rates der Magischen Tiere. Aber ich fand es klasse. Socke ging sogar noch einen Schritt weiter. Nach drei Wochen erhielt Brigitta eine Antwort auf den nie abgeschickten Mitgliedsantrag, in der ihr mitgeteilt wurde, dass sie in dieser Partei nicht erwünscht war.
Ja, auch Socke verfügt über eine magische Feder und war extra in die Parteizentrale eingebrochen, um an einen Original-Bogen Kopfpapier zu gelangen.
Brigitta war so verärgert, dass sie sich schwor, diese Partei nie wieder zu wählen. Sehr gut. Nur eine weniger, ja, aber wie heißt es so schön: Jede Stimme zählt. In dem Fall jede Stimme weniger. Im Regelbrechen übertrifft mich Socke bei weitem, muss ich sagen.
Wir waren schon am Überlegen, ob Rosalie die Amtsleitung als mögliche Verbündete nach ihrer Flucht (=> 9.) aufgegeben hatte, als Socke kurz nach den Ereignissen der letzten Geschichte Spring und mich aufgeregt um ein sofortiges Treffen bat. Endlich, endlich hatte Rosalie Brigitta mitgeteilt, dass sie sie am nächsten Tag, einem Freitag, um siebzehn Uhr aufsuchen würde. Der Anruf kam von einem Menschen-Handy mit unterdrückter Nummer, wie Socke später herausfand, sodass wir keinen Anhaltspunkt hatten, wo sich Rosalie derzeit aufhielt.
Nicht nur Brigitta war aufgeregt – wir auch. Ausnahmsweise war Maxi mit mir einer Meinung: Wir würden nicht lange fackeln und Rosalie in dem Moment festnehmen, in dem sie vor Brigittas Haustür auftauchte. Schnell stellte sie ein SEK aus Hunden zusammen, Gorillas würden in eurer Welt mitten in einer Stadt in Deutschland in einer ruhigen Seitenstraße eindeutig zu viel Aufmerksamkeit erregen. Sobald unsere „Zielperson“ in Brigittas Straße auftauchen würde, sollte ich per magischem Funk das Kommando für die Aktion geben. Aufregend.
Der gute Tasso wollte sich das Spektakel nicht entgehen lassen und so trafen wir uns bereits eineinhalb Stunden früher in Brigittas Straße, um noch ein bisschen zu quatschen, bevor es losging. Wir suchten uns gegenüber von ihrem Haus ein Versteck zwischen den dichten Büschen eines Vorgartens. So waren wir gut geschützt und hatten zugleich eine hervorragende Sicht auf die Haustür. Fehlte eigentlich nur noch Popcorn.
Tasso erzählte mir gerade ausführlich, was er im Training mit Maxi und Joy neu gelernt hatte, als ich – wie immer nicht ganz konzentriert zuhörend – am Ende der Straße eine mir leider nur allzu bekannte Gestalt auftauchen sah. Rasch warf ich einen Blick auf das neben mir liegende Handy: 15:55 Uhr.
Verflixter Feenstaub.
„Sie kommt mehr als eine Stunde zu früh“, unterbrach ich Tasso erschrocken und sah, wie Rosalie in der Gestalt von Heinz mit raschen Schritten die Straße entlangeilte. Ich wartete Tassos Reaktion gar nicht ab, sondern griff zu meinem magischen Funkgerät, was ebenfalls neben mir lag, und informierte Maxi.
„Oh, nein, das SEK ist noch nicht startklar!!! Ich trommele die Hunde zusammen, sie sollten in zwanzig Minuten absprungbereit sein. Dann verhaften wir Rosalie eben notfalls erst, wenn das Treffen zu Ende ist“, lautete ihr Kommentar.
Nicht startklar? Verärgert starrte ich das Funkgerät an. Mussten die erst in Ruhe einen Snack zu sich nehmen, oder was? Außerdem wollten wir ja Rosalie extra vor dem Treffen verhaften und nicht erst danach, damit Brigitta keine Aufträge von ihr erhalten konnte. Mauuu.
Ich schickte Socke rasch eine Nachricht und schon hatte Rosalie die Haustür von Brigitta erreicht.
Sockes Antwort kam prompt:
„Selbst B. scheint nicht zu wissen, dass R. früher kommt. Denke, das hat sie aus Sicherheitsgründen gemacht. Freitags macht B. pünktlich um 13 Uhr Feierabend. War also klar, dass sie auch um 16 Uhr schon zu Hause sein würde. Das weiß R. natürlich noch aus ihrer Zeit im Amt.“
Ich fand, Socke sollte weniger texten, sondern sich ein gutes Versteck suchen, wo Rosalie ihn nicht sehen, er aber alles hören konnte.
„Sitze längst unter der Couch“, kam es trocken auf meine Anmerkung hin zurück.
Die nächsten fünfundzwanzig Minuten passierte rein gar nichts, nicht einmal das verflixte SEK tauchte auf. Dann aber überschlugen sich die Ereignisse.
Zunächst meldete sich Socke: „R und B stehen schon im Flur, quatschen aber noch. Ich denke, in spätestens fünf Minuten kann das SEK zuschlagen.“
„Noch nicht da“, textete ich eilig zurück und gab Tasso ein Zeichen, Maxi per Funk zu fragen, wo unsere Verstärkung steckte.
„Okay, dann anders“, antwortete Socke nach einigen Sekunden, „stell dich mit Tasso rechts und links von der Haustür auf. Wenn Rosalie das Haus verlässt, schießt ihr von beiden Seiten einen Magiestrahl auf ihre Beine ab, sodass sie fällt. Aber erst wenn ich ihr mich ‚jetzt‘ schreien hört. Bekommt ihr das hin?“
Bitte, was?
Ich schrieb trotzdem „Jupp“, zurück, etwas ratlos, was Socke vorhatte.
Tasso hatte derweil Maxi erreicht und teilte mir mit, dass diese keine Ahnung hätte, wo das SEK sei. Das hätte angeblich längst da sein müssen. Sie würde sich drum kümmern.
‚Großartig‘, schoss es mir sarkastisch durch den Kopf und ich stellte mich innerlich auf einen sehr unangenehmen, magischen Kampf mit einer Hyäne ein.
Rasch informierte ich Tasso, was wir zu tun hätten, und gemeinsam begaben wir uns in Position.
Kaum hockten wir in Angriffsstellung neben der Haustür, öffnete sich diese und Socke brüllte aus dem Fenster im Hausflur im dritten Stock:
„Jetzt“.
Tasso und ich schossen unsere Magiestrahlen gleichzeitig auf die Beine von Rosalie, noch immer in der Gestalt von Heinz, genau in dem Moment, als sie aus der Tür trat, beide mit einer solchen Wucht, dass sie massiv ins Stolpern geriet. Im gleichen Moment hörte ich Socke „Für die Gerechtigkeit“ schreien (Seinen Hang zu Dramatik hatte ich erwähnt, oder?) und sah aus dem Augenwinkel von oben einen grünen Blitz heranfliegen.
Socke. In seinem geliebten, grünen Superheld*innen-Kostüm. Wann zum grünen Troll hatte er noch die Zeit gefunden, das anzuziehen?
Natürlich hatte ich keine Zeit, darüber nachzudenken, denn schon in der nächsten Millisekunde landete Socke mit voller Wucht auf Rosalies Schultern und brachte sie mit Hilfe von Magie endgültig zu Fall. Kaum war sie auf dem Asphalt aufgeschlagen, blockte Socke ihre magischen Kräfte und verhinderte so den von mir befürchteten Kampf.
Wow! Welch eine krasse Aktion! Der Kerl war tatsächlich aus dem dritten Stock gesprungen, punktgenau auf Rosalie gelandet und hatte sie außer Gefecht gesetzt. Ich hatte gar nicht gewusst, dass er diesen schwierigen Zauber zum Blocken von Magie beherrschte und anwenden durfte! Beeindruckende Leistung und trotzdem stand ich kurz vor einem Kicheranfall. Auslöser war entweder Sockes Superheld*innen-Umhang oder der ganze Stress und die Aufregung. Ich bin mir bis heute nicht sicher.
Rosalie brüllte vor Wut und versuchte, sich körperlich gegen den auf ihr sitzenden Kater zu wehren, aber auch das hatte Socke mit Magie gut im Griff.
Dann landete endlich das SEK und hatte nichts weiter zu tun, als die offizielle Verhaftung vorzunehmen. Das war ein leichter Job für die Rottweiler.
Später habe ich von Maxi den Grund erfahren, warum diese so spät kamen: Nachdem sie tatsächlich nach einer ausgiebigen Mahlzeit endlich in die menschliche Welt gesprungen waren, waren sie zunächst in der falschen Straße gelandet – und hatten es nicht bemerkt. Erst als Maxi sie erneut anfunkte, erkannten die fünf Hunde ihren Fehler. Es gibt nämlich eine weitere Straße mit dem gleichen Namen in einem anderen Stadtteil. Natürlich mussten sie zunächst zurück in den Zauberwald und von dort in die richtige Straße springen und kamen daher erst an, als Rosalie schon schachmatt gesetzt war. Ließ mich etwas Kopf schüttelnd zurück. Das nennt sich SEK? Diese Hunde brauchen dringend eine Schulung, miau.
Als ich sah, wie dieses sog. SEK mit dem zeternden „Heinz“ in der Mitte, das Ganze war so schnell gegangen, dass Rosalie nicht einmal ihre Gestalt wechseln konnte, bevor Socke ihre Magie blockte, zum Dimensionenspringen ansetzte und verschwand, fühlte ich eine tiefe Zufriedenheit.
Zufrieden, dass Rosalie die Strafe bekommen würde, die sie verdient hatte. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Schon seit längerem denke ich über das Thema Rachegefühle nach. Zum einen, weil Rosalie sich an mir mit der Einführung dieses Papiers in Annas Amt gerächt hatte, da sie durch mich aufgeflogen war (=> Geschichten 13 bis 15; s. Inhaltverzeichnis).
Zum anderen wegen der Geschichte mit Penny, die ursprünglich während des Prozesses gegen sie geflohen war, um ebenfalls Rache an mir zu nehmen.
Ich denke, manch eins hätte vermutlich im Gegenzug Rache an Rosalie gewollt, bei dem Stress, den sie Anna & Co bereitet hat. Doch das war mir nie in den Sinn gekommen. Ich hatte Gerechtigkeit gewollt und meine magische Feder wieder benutzen wollen, ja, aber Rache?
Selbst meinem sadistischen Vater Angelo gegenüber hatte ich nie den Wunsch nach Rache oder Vergeltung verspürt, stellte ich fest, je länger ich über dieses Thema nachdachte. Wozu auch? Es würde doch nichts mehr ändern.
Und genauso geht es Anna mit ihren Täter*innen: Der Gedanke, Rache an ihnen zu nehmen, ist ihr fremd, genau wie vielen Menschen mit Traumafolgestörungen/DIS/pDIS, die ich kenne. Die meisten wünschen sich stattdessen vor allem eine Verantwortungsübernahme durch die Täter*innen, genug Geld für Therapien und Unterstützung und endlich ein gutes Leben.
Zumal Rache eine Menge Energie frisst. Traumatisierte Menschen brauchen jedoch all ihre Kraft für sich. Da bleibt schlicht nichts über an Energie, die sich auf Täter*innen richten könnte.
Strafverschärfungen für Täter*innen (teilweise bis hin zur Todesstrafe) oder gar Selbst- oder Lynchjustiz werden eher selten von Betroffenen gefordert, sondern vor allem von Außenstehenden und ist somit wohl eher Ausdruck der gesellschaftlichen Hilflosigkeit in Anbetracht der massiven Zahlen bezüglich Gewalt gegen Kinder und Übergriffen auf Erwachsene. Es wäre so viel sinnvoller, diese Energie auf die Unterstützung Betroffener zu richten, miau, statt sich in Rachefantasien zu ergehen oder Vergeltung zu fordern.
Versteht mich bitte nicht falsch: Wut auf Täter*innen, gesellschaftliche Konsequenzen und strafrechtliche Verfolgung (wenn möglich) halte ich für mehr als angemessen. wichtig und vor allem für notwendig. Und ich kann verstehen, wenn Betroffene hin und wieder Rachegefühle haben, solange es bei Gefühlen und Fantasien bleibt und nicht zu einer Obsession führt oder gar zu Taten. Sich ab und an vorzustellen, eine*n Täter*in nach Sibirien zu verbannen o.ä., kann sogar sehr hilfreich sein, ist aber auch etwas anderes, als wirklich Rache zu nehmen.
Natürlich würden mir noch einige weitere Aspekte zu dem Thema einfallen, doch ich denke, wir beenden den kleinen Exkurs mal an dieser Stelle und kehren zurück zu den Ereignissen rund um die Verhaftung von Rosalie zurück. Wie immer geht es mir nur um einen kurzen Einblick in die Thematik, miau.
Also, dieses Mal machte Maxi im Zauberwald kurzen Prozess. Keine langen Vorbereitungen wie bei der Verhandlung gegen Nero und Penny und die anderen Mittiere von Neros Bande. Der Prozess fand direkt am nächsten Tag statt. Und da es nichts gab, was irgendwie für sie sprach, lautete das Urteil erwartungsgemäß „Verbannung in die Steinernen Gärten“, und das, da sie sich ja immer noch nicht hatte zurückverwandeln können, auch noch in der Gestalt von Heinz, miau.
Meine Freude darüber, dass Rosalie endlich gefasst worden war, wurde allerdings im Nachhinein doch deutlich getrübt: Maxi erfuhr nämlich von Sockes Aktion mit dem gefälschten Antwortschreiben. Dieser kleine Angeber hatte natürlich mit allen Details seines Einsatzes bei Brigitta vor ihr prahlen müssen, miau. Maxi hat daraufhin mal wieder völlig überreagiert und den Einsatz der Magischen Feder auf der menschlichen Welt komplett verboten. Für alle. Auch für mich, miau. Ich bin jetzt noch sauer, zumal Socke das Schreiben an Brigitta genauso gut am Computer hätte faken können, aber tatsächlich kennt er sich mit denen überhaupt nicht aus.
So, was fehlt?
Ach, ja, es gibt noch zwei Dinge, die ich euch erzählen muss, damit die Geschichte vollständig ist:
1. Brigitta wurde zum Glück nicht Zeugin des Kampfes vor ihrem Haus. Nachdem sie Rosalie verabschiedet hatte, verschwand sie ins Bad – und Socke hat gut reagiert: Er verriegelte vor dem Verlassen der Wohnung die Badezimmertür von außen magisch und entriegelte er sie erst wieder, als er nach der Aktion in die Wohnung zurückkehrte. Brigitta, die noch immer ohne Unterlass an der Tür rüttelte, war verwundert und erleichtert zugleich, als die Tür plötzlich doch – wie von Zauberpfote – aufsprang. Sie ließ am nächsten Tag den Hausmeisterdienst antanzen, in der Meinung, die Tür klemme fürchterlich und ließe sich quasi nur mit Gewalt öffnen. Wundersamerweise fand die Person die Tür ganz in Ordnung.
2. Socke hat uns natürlich ausführlich erzählt, was in der Wohnung passiert ist, während Tasso und ich draußen hockten. Demzufolge war es in dem Gespräch hauptsächlich darum gegangen, wie Brigitta vorgehen, welche Strategien sie anwenden und wie sie die Kontaktaufnahme zu potentiellen Mitstreiter*innen gestalten sollte. Die Namen von zwanzig infrage kommenden Personen hatte Rosalie ihr in einem verschlossenen Umschlag überreicht, den sie erst öffnen sollte, wenn sie gegangen war. Nachdem sie sich von der Badezimmer-Aktion erholt hatte, war der Umschlag mit der codierten Liste jedoch verschwunden. Brigitta durchsuchte die komplette Wohnung und stand schließlich kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Socke spielte den ganzen Abend das tröstende „Katerlein“ und überreicht uns am nächsten Tag die Liste, die er mit einem Unsichtsbarkeitszauber belegt hatte. Seine magischen Fähigkeiten sind wirklich herausragend, muss ich sagen.
Auf der Liste standen Menschen aus ganz Deutschland, allerdings keine, die wirklich Macht haben. Mehr so C-Politik-Prominenz. Aber natürlich hätte das trotzdem gefährlich werden können, hätte Brigitta anfangen können, ein Netzwerk aufzubauen, das auf einen Sturz der Regierung hinarbeitete. Um sicherzustellen, dass Brigitta nicht auf weitere ungute Ideen kommt, wird Socke weiterhin bei ihr als „Katerlein“ leben.
So, miau, das war es jetzt für heute. Aber wir lesen uns ganz bald wieder, versprochen.
Falls euch die Geschichte gefallen hat, dürft ihr mir gern hier auf dem Blog oder auf meinen Social Media Accounts einen Kommentar hinterlassen oder mir eine Nachricht über das Kontaktformular schicken.
Es grüßt euch herzlich euer Merlin.
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Hartmut (Sonntag, 24 November 2024 15:06)
Hallo Merlin,
das war eine sehr spannende Geschichte. Noch schöner war für mich, dass ich – warum auch immer – zuerst „Nummer 15: Socke“ gelesen habe und mir danach gesagt habe: „Schade, dass die Geschichte gerade nicht weitergeht.“ Und dann lese ich „19: Kurzer Prozess“. Das war eine tolle Sache, weil ich dort genau das gefunden habe, wie es weiterging.
Ja, es ist manchmal so eine Geschichte, als links-grün-versiffter Zauberkater so etwas hier insgesamt zu schreiben. Aber du hast diesmal wunderschön die Geschichte und auch die DIS miteinander so gut kombiniert.
Ich fand es toll, wie Socke das mit dem Brief von Brigitte bzw. dem Antrag gemacht hat. Zuerst war ich überrascht, als ich gelesen habe, dass er ihn zerstört hat, und ich mir dann die Frage stellte: Hey, fällt das nicht auf? Aber das hat ja eigentlich ganz gut geklappt. Besonders natürlich diese tolle Idee von ihm, eine Ablehnung auf ihren zweiten Antrag zu schreiben!
Ich weiß, dass es dich sicherlich jetzt genervt hat, weil es insgesamt verboten ist, mit einer Feder in unserer Welt zu schreiben. Aber wie das so manchmal ist – es gibt Verbote und es gibt Ausnahmesituationen. Wir werden sehen, wie es im weiteren Verlauf aussieht.
Ansonsten war das schon witzig mit Sockes Kostüm und diesem tollen, schönen Foto. Ich fand diese Geschichte sehr spannend, und sie macht „Nummer 15“ und „19“ so schön rund. Ich bin gespannt, was du uns noch weiter bieten wirst. Viele Grüße an Anna und Co. und natürlich an Spring und nicht zu vergessen Socke.
@energiepirat (Samstag, 30 November 2024 16:29)
Lieber Merlin,
Socke bei der Arbeit, Was für ein schönes Bild! Gestaltwechsler sind unheimlich. Ja, absolut. So einen gründlichen Kater hätte ich auch gern. Mein Gin hat es geliebt, wenn ich ihm das Fell gezupft habe Berge von Haaren hat der produziert.
Und welch professioneller Umgang mit blaunen Mitgliedsanträgen. Formidable.
Und was für eine Action! Wow! Miau! Das Vorgehen der Rottweiler entspricht deren etwas einfach wirkendem Gemüt. Sollten sich den Zielort doch erst Mal auf einer guten Karte ansehen.
Soeben bekomme ich die Info, das ein Mitschüler aus der Kollegstufe gestorben ist. Baujahr 1966. War kein besonders angenehmer Zeitgenosse. CSU. Naja, Diese Ereignisse werden sich ab jetzt wohl häufen.
Ich mochte ihn nicht, je länger ich ihn kannte. Unfairer, selbstgerechter Typ. Schadenfreude empfinde ich nicht. Rachegefühle auch nicht. Rache als kleiner, harmloser Denkzettel bei passender Gelegenheit genügt. Ein bisschen trollen oder so was. Das Auto mit Wasserfarbe „umlackieren“ zum Beispiel.
Und ein interessanter Exkurs über den Umgang in der gesellschaftlichen Realität mit diesen Dingen, Leute, die es nicht betrifft, ereifern sich mehr als die Betroffenen. Die Menschheit an der Grenze zur vollkommenen Debilität. Und zwar auf der anderen Seite dieser Grenze. Ich habe hier auch einige Zeitgenossen, die ich nach Sibirien verbannen würde.
Ja, die klandestinen Netzwerke mit ihrer geheimniskrämerischen Denkweise sind gefährlich. Die brauchen wir nicht. Auf keinen Fall. Transparenz ist das wichtigste. Danach kommen Bildung und ein Wertebewusstsein, das nicht in der Beliebigkeit von Werten besteht.
Danke für die spannende Geschichte lieber Merlin