Tückische Technik

Miau und guten Tag, meine zauberhaften Leser*innen,

 

Elektronik und Technik, uff, was das hier anrichten kann, ihr glaubt es nicht!

 

Heute musste sich Anna nur mit dem Antivirenprogramm herumschlagen, was zum Glück einigermaßen problemlos lief. Ich war schon in Hab-Acht-Stellung, auch wenn ich dabei ja eigentlich nicht wirklich helfen kann. Ich verfüge zwar inzwischen über ein paar PC-Kenntnisse, aber meine Magie funktioniert da einfach nicht. Computer, Internet etc., eigentlich alles Elektronische, lässt sich nicht magisch beeinflussen. Sehr ärgerlich. Dabei sind es gerade diese Sachen, die das System nur allzu oft in Hochstress versetzen und durch Gefühle von Panik, Überforderung, Ohnmacht, wenn etwas nicht so funktioniert, wie es sollte, auch jüngere, noch in der Traumazeit feststeckende Anteile triggert. Sei es das monatliche Systemupdate des Laptops, was nie auf Anhieb klappt, oder ein Router-Absturz wie vor ein paar Wochen.

 

Große Katze im Himmel, das war ein furchtbarer Tag. Die, die uns auf Social Media folgen, erinnern sich vielleicht noch dunkel.

 

Anna wachte mal wieder extrem früh auf, ich glaube, es war noch vor 4 Uhr. Doch bevor sie sich halbwegs orientieren konnte, war schon Sarah nach vorne geswitcht. Sarah, ein zwar erwachsener, aber schnell zu triggernder Anteil, scannt nach wie vor jede Umgebung auf Gefahren oder Ungewöhnliches im Hintergrund, selbst unsere Wohnung. So hatte sie innerhalb von Sekunden erfasst, was nicht stimmte: Der Router blinkte wie wild in Rot. Rot ist da nicht gut – das weiß ich mittlerweile. Sie war sofort hellwach und in Panik und sprang quasi Richtung Router – ohne Rücksicht auf den kaputten Fuß und mich.

 

Gut, ich war dann also auch richtig wach, nachdem ich vom Bett gerutscht war. Kein Internet. Kein Festnetztelefon. Rotes wildes Geblinke. Panik. Anna und ich schafften es, sie zu überzeugen, doch wenigstens einen Kaffee zu trinken, bevor wir uns darum kümmern würden, in der vagen Hoffnung, dass das Geblinke sich von selbst erledigen würde. Nö, tat es nicht. Warum auch. Hier erledigen sich leider die wenigsten Dinge einfach mal von selbst. Seufz. Innen stieg der Paniklevel. Kein Festnetz, kein Internet, auf dem Handy nur ein kleines Datenvolumen – das heißt hier unter anderem auch: noch abgeschnittener von der Welt, noch isolierter als schon normalerweise. Anna versuchte zunächst tapfer, die Nerven zu behalten und vorne zu bleiben – schließlich behebt ein Router-Neustart in der Regel die Probleme. Beim Ausstöpseln konnte ich dank meiner geschickten Vorderpfoten helfen. Beim Einstöpseln auch. Der Router fuhr hoch und zehn Minuten lang sah es auch, als würde alles normal laufen. Nope. Wildes Geblinke. In Rot.

 

Das war der Moment, in dem Sarah dann vorne endgültig übernahm. In totaler Panik. Es ist unglaublich, was sie reißen, organisieren, regeln kann, wenn sie so unter Hochstress steht, aber der Preis dafür, tiefe Erschöpfung, teilweise über Tage, ist hoch. Also, Sarah suchte kurz über das Handy im Internet, was eins dann tun soll. Router-Reset, ok, schon hatte sie ihn durchgeführt, während ich noch überlegte, was das bedeutet. Morgens um vier oder fünf Uhr ist echt nicht meine Zeit, mau, bin eher so der Langschläferkater. Wenn Sarah in einem solchen Zustand ist, kann ich nicht viel tun, außer in einem Meter Abstand neben ihr zu bleiben, um eingreifen zu können, falls irgendwas so schief geht, dass sie zusammenbricht. Der Router fuhr also erneut hoch – und es lief alles, wie es laut Anleitung sein sollte. Jetzt musste sie nur erneut die PIN, die sie griffbereit hatte, über das Telefon eingegeben. Tja. Diese verflixte PIN wurde nicht erkannt – und Sarah bekam bei allen zehn Versuchen die Ansage, sie solle sich an ihren Anbieter wenden. Anna saß derweil – wie sie es immer nennt – hinten auf den billigen Plätzen fest. Das heißt, sie bekommt (inzwischen) mit, was Sarah tut, aber nur in der Rolle einer Beobachterin, Eingreifen ist nicht möglich. Sarahs Panik fuhr immer weiter hoch, war doch die Technik-Hotline erst ab sieben Uhr zu erreichen. Doch ich sah etwas auf dem Zettel, auf dem Anna alle Daten, Telefonnummern, Kennnummern zum Router und zum Anschluss etc. sorgfältig notiert hatte: eine weitere Telefonnummer, recht klein unten am Rand notiert. Dahinter stand gekritzelt: für Notfälle. Ich wies Sarah darauf hin – die quasi im selben Moment die Nummer ins Handy eintippte.

 

Siehe da, da war schon jemand so früh erreichbar. Wow. Und der Typ am Telefon war sogar ausgesprochen nett. Anna schaffte es, nach vorne zu switchen und das Gespräch zu übernehmen, damit dem Menschen an der Hotline nicht Sarahs geballte Panik entgegenschlug.

 

Lange Rede, kurzer Sinn, der Mitarbeitende kam leider genauso weit, trotz Vornahme irgendwelcher Korrekturen im Computer bei ihm, die ich nicht verstanden habe, wie zuvor Sarah. Die PIN, obwohl korrekt, wurde nicht akzeptiert. Er nahm eine Störungsmeldung auf – und kündigte an, dass das wahrscheinlich 24 bis 48 Stunden dauern würde. Na, großartig, jetzt war ich auch beunruhigt, wollte ich doch am nächsten Tag eine Geschichte auf dem Blog veröffentlichen.

 

Ich schob den Gedanken beiseite, denn das war der Moment, in dem erst mal Schockstarre im System einsetzte, während Anna versuchte, zu überlegen, was sie jetzt wie regeln musste. Mails checken, SocialMedia, wem Bescheid sagen, dass sie nur über das Handy erreichbar ist, Videotermine in Handytelefonate umwandeln, entsetzte Kleine beruhigen, die begriffen, dass Hörbuch streamen etc. jetzt nicht ging usw. – und eine Liste erstellte.

 

Anna, Königin der Listen.

 

Ist aber hilfreich.

 

Wir hatten dann allerdings Glück im Unglück. Nach etwa vier Stunden meldete lustigerweise das Tablet von sich aus, dass es jetzt sehr gerne den Router wieder anmelden würde. Jahaa, die aufgeploppte Meldung lautete etwas anders. Aber die PIN wurde akzeptiert – und alles ging wieder. Der Anbieter hatte das Problem deutlich schneller gelöst als angekündigt.

 

Vieles kennt ihr davon, nicht wahr? Es ist ein alltägliches Ärgernis, wie es wohl fast alle von euch schon erlebt haben. Ja, werdet ihr denken, und es war doch schnell alles wieder gut. Warum dann so ein langer Text dazu?

 

Weil ich euch daran zeigen möchte, was ich eingangs schon kurz erwähnte: wie viel so vermeintlich alltägliche Ärgernisse bei Menschen mit DIS/Traumafolgen auslösen können – und dass nicht gleich alles gut ist, wenn das eigentliche Problem behoben ist.

Für Anna&Co und andere Menschen mit DIS oder komplexen Traumatisierungen, die ich kenne, ist es mehr als ein Ärgernis. Panik, Überforderung, das Angewiesensein auf den Anbieter und i .d. S. ohnmächtig, – alles Gefühle, die sehr dicht an den Gefühlen aus der Traumazeit dran sind – und insofern selbst triggern (können), sodass noch in der Vergangenheit feststeckende Anteile sich wieder in Todesgefahr sehen (können).

 

Dazu war Sarah so im Hochstress gewesen, dass sie natürlich eine Unmenge an Cortisol, Adrenalin und weiteren Stresshormonen ausgeschüttet hatte. Die mussten sich nun langsam wieder abbauen, was bei Menschen mit einem chronisch hohen Stresspegel ziemlich lange dauert. Und einen solchen haben schwer traumatisierte Menschen fast immer. Steigt dann der Pegel aufgrund irgendeines Ereignisses noch weiter an, können andere, u.U. sehr junge Anteile angetriggert werden, sodass Anna dann nicht nur den Stress an sich durch Bewegung, Atemübungen etc. runterregulieren muss, sondern auch mit den entsprechenden Anteilen daran arbeiten, dass ihnen keine Gefahr droht, denn diese verbanden Sarahs massive Gefühle von Panik etc. mit den Gewaltsituationen von früher. 

 

 

Eine schwarze Katze liegt auf dem Dielenboden auf der Seite, mit offenen Augen. Ist eindeutig sehr müde.

Hmm. Ich hoffe, ich habe das jetzt korrekt und verständlich erklärt. Anna hatte jedenfalls bis zum Einschlafen noch gut zu tun – und merkt die Nachwehen solcher Zustände meist die nächsten Tage in Form von Erschöpfung. Als Katze habe ich es da viel einfacher: Ich renne einmal durch die Wohnung, jage einem Wollknäuel hinterher – und werde dabei schön müde, sodass einem erholsamen Schläfchen nichts mehr im Wege steht. (Jaaa, auch magische Kater erliegen sehr oft dem Spieltrieb, wenn sie ein Wollknäuel oder einen kleinen Ball o. Ä. sehen.)

 

 

Tja, dieser Text fällt dann wohl erneut in die Rubrik „Merlin, der Erklärkater“. 

 

Wie immer dürft ihr mir gerne hier oder auf meinen Social Media Accounts einen Kommentar hinterlassen. Bis bald, wir lesen uns.

Es grüßt euch herzlich euer Merlin. 

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Kommentare: 2
  • #1

    Noch ein Merlin :-) (Dienstag, 11 April 2023 20:19)

    Ja, lieber Merlin, dass mit dem lustigen Wollknäuel jagen hat sich bei den Zweibeinern noch nicht wirklich herumgesprochen.
    Na gut, sieht vielleicht auch komisch aus, wenn der Oberkörper unter- und deren Hinterteil vor dem Schrank verweilt :-)) Spaß muss sein :-))
    Ich finde es jedenfalls toll, wie du das alles so wunderbar erklärst und du damit ganz sicher vielen Menschen zeigst, dass sie nicht alleine sind. Und ich finde es toll, dass du Wissen und Kompetenz in Geschichten einbettest, die die Menschen bewegen, Geschichten, in welchen sich der ein oder andere sicher gut mit identifizieren kann.
    Es tut einfach gut, dass es dich gibt.
    Dankeschön :)

  • #2

    @energiepirat (Mittwoch, 12 April 2023 19:38)

    Hi Merlin, Das ist mal eine Geschichte abseits vom gemütlichen Schnurren. Wild. Kenne ich leider auch. Gut beschrieben. vielen Dank
    Gruß
    Thomas