4. Anna und ich

 

Miau und hallo, meine zauberhaften Leser*innen,

 

ich musste heute mal wieder an einen besonderen Tag mit Anna zurück denken:

 

Ich lebte damals so etwa zwei bis drei Jahre bei ihr und den anderen. Es war eine schlimme Zeit: Anna steckte mitten in den Prüfungen, hatte Ärger im Job und noch einiges mehr am Hals – und war vor Erschöpfung am Ende; besonders die Angst, die Prüfungen zu vergeigen, überschattete alles, und Anna schlief kaum noch. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits zu vielen Innenpersonen einen guten Kontakt und unterstützte, wo ich nur konnte. Nur zu Anna selbst war ich noch nicht durchgedrungen.

 

Schließlich kam der letzte Prüfungstag und Anna fiel quasi beim Betreten der Wohnung direkt ins Bett, begleitet von einem Weinkrampf einer Innenperson. Totale Überreizung aller. Ich legte mich also eine Weile dazu, schnurrte beruhigend, bis alle in den so dringend nötigen Schlaf glitten.

 

Da ich selbst bereits den ganzen Tag verschlafen hatte, schlich ich mich in die Küche, um den Abwasch zu erledigen. Das hatte ich in letzter Zeit öfter getan. Anna war jedes Mal ein bisschen verwirrt, weil sie nicht wusste, wer den erledigt hatte.

 

Aber es verriet mich innen keins mehr. Anfangs hatte das eine oder andere Innenkind auf diese oder ähnliche Fragen wahrheitsgemäß mit „Merlin“ geantwortet, was Anna regelmäßig sarkastisch mit „Ja, schon klar“ konterte. Es war wirklich ein Problem mit ihr.

 

Ich kletterte also mühselig das halbhohe Regal in der Küche hoch und von da aus auf die Spüle. Magisches Abwaschen ist ziemlich cool – und einfach. Ich muss nur jeweils eine Pfote auf das zu reinigende Geschirrteil pressen und einen Moment abwarten. Normalerweise ließ ich das Geschirr dann stehen, da ich tatsächlich die ganz einfache Magie, einen Gegenstand von einem Ort zum anderen zu transportieren, nicht wirklich gut beherrsche. Eigentlich was für Anfänger:innen.

Jahaa.

Nur war in meiner Ausbildung damals im Zauberwald einiges schief gegangen. Aber das erzähle ich euch ein anderes Mal.

 

An jenem Tag hatte ich es gründlich machen und das Geschirr einräumen wollen. Teller und Tassen in die Schnauze zu nehmen und damit zu klettern, schied definitiv aus. Also wagte ich den Versuch, Magie einzusetzen. Einen Teelöffel bekam ich tatsächlich in die Schublade, dann versuchte ich es mit einer Tasse …

Rumms.

Verdammter Feenstaub.

 

Mir war die Tasse auf halber Strecke abgestürzt. Ich war gerade auf dem Boden angekommen und am Überlegen, wie ich die Scherben jetzt zusammengefegt bekam, als Anna in die Küche taumelte.

 

Verflixt. Das Scheppern war natürlich zu laut gewesen und hatte sie geweckt.

 

„Ach, Merlin, du Tollpatsch“, schimpfte sie verschlafen. „Komm da weg, du verletzt dich noch.“

 

Sprach es, hob mich hoch und setzte mich auf den hohen Küchenschrank, wohlwissend, dass ich da alleine nicht mehr herunterkam. Verärgert fegte sie die Scherben zusammen, räumte kommentarlos das restliche saubere Geschirr weg, machte sich einen Kaffee und setzte sich an den Küchentisch.

 

Mich hatte sie derweil offensichtlich vergessen. Ich ließ ihr einen Moment und versuchte dann, mich durch ein energisches Miau in Erinnerung zu rufen. Nichts. Keine Reaktion. Auch Miau Nummer 2 und 3 drangen nicht zu ihr durch. Sie hing todmüde über der Kaffeetasse und schien mich nicht zu hören. Von den anderen innen konnte ich keine Hilfe erwarten, ich spürte, dass sich alle verkrümelt hatten, da Anna eindeutig sehr schlecht gelaunt war.

 

Na, super.

 

Das würde in den nächsten Minuten zu einem Problem werden, denn auch magische Katzen müssen mal. Es war meine doch sehr missliche Lage, die dazu führte, dass mir der Satz:

„Anna, hättest wohl du die Güte, mich hier wieder herunterzuholen?“ entfuhr.

Laut.

Sehr laut.

So laut, dass Anna zusammenschreckte und zu mir hochblickte: „Ach, entschuldige, Kleiner, hab dich ganz vergessen.“

 

Sie stand auf, hob mich vom Schrank und behielt mich auf dem Arm. Im ersten Augenblick dachte ich noch, Anna sei einfach zufällig in jenem Moment aus ihrem fast trance-ähnlichem Zustand aufgewacht. Doch weit gefehlt. Wir sahen uns direkt in die Augen. Lange.

Schließlich sagte sie: „Du kannst wirklich sprechen, oder? Ich bilde mir das nicht ein?“

 

„Ja, ich kann sprechen. Und eine Menge anderer Sachen“, antwortete ich leise.

 

Anna nickte, ließ sich mit mir zusammen auf den Küchenstuhl fallen und begann zu weinen. Ich hätte am liebsten mitgeweint, so froh war ich. Annas Abwehr war endlich gefallen, vielleicht weil die Erschöpfung so unendlich groß war, vielleicht aus anderen Gründen. Ich weiß es bis heute nicht.

 

Fakt war, dass es von nun an für uns beide wesentlich einfacher werden würde.

Zunächst flitzte ich allerdings erst mal schnell Richtung Katzenklo – und dann saßen wir über Stunden am Küchentisch und redeten und redeten. Wir hatten uns eine Menge zu erzählen.

 

Seitdem haben wir ein morgendliches Ritual. Während Anna morgens den ersten Kaffee trinkt, schlummere ich noch ein bisschen auf ihrem Schoß. Dann macht sie noch mal Kaffee für uns beide und wir gucken, ob und wobei sie Hilfe braucht, oder philosophieren über das Leben. Ich mag diese Zeit am Tag sehr gern.

 

Und ja, das war es definitiv wert gewesen, ausgerechnet Annas Lieblingstasse zu zerdeppern, auch wenn sie mir das bis heute noch manchmal vorhält.

 

Ich hoffe, die Geschichte hat euch gefallen. Gern könnt ihr mir hier oder auf meinen Social Media Accounts einen Kommentar dalassen.

 

Wir lesen uns!

 

Es grüßt euch herzlich euer Merlin.

Kommentare: 2
  • #2

    Noch ein Merlin :-) (Dienstag, 18 April 2023 15:36)

    Gut gemacht, Merlin ... sehr gut gemacht :-)
    Manchmal muss man halt etwas nachhelfen.
    Und sei es einfach nur geduldig auf einen Schrank sitzen ;-)

  • #1

    @energiepirat (Dienstag, 28 März 2023 15:24)

    Die Offenbarung des sprechenden Katers. Wunderbar.