21.1 Eine unheilvolle Spur - Chaos

Foto eines schwarzen Katers mit gelben Augen, der direkt und streng in die Kamera schaut. Es ist nur sein Kopf und nur ganz wenig vom Körper zu sehen.

Miau und hallo, meine zauberhaften Fans,

 

Anna hat eine Tradition. Einmal im Jahr, meist zum Jahresanfang, ist hier großes Aufräumen und Ausmisten angesagt. Dann wirbelt sie durch alle Schränke und Regale und vor allem durch die Kammer. Dabei stellt sie nicht nur die Grundordnung wieder her, die über das Jahr doch immer ein wenig verloren geht, sondern schaut auch, was nicht mehr gebraucht wird. Die Wohnung, in der wir leben, ist nicht besonders groß, der Stauraum begrenzt – und schon deswegen ist regelmäßiges Ausmisten notwendig.

 

Doch das ist nicht der alleinige Grund:

Ein Alltag mit einer DIS/pDIS ist wesentlich einfacher zu managen, wenn alles seinen Platz hat; das hilft, genau wie feste Abläufe und Tagesstrukturen, Micro-Amnesien zu verhindern, Verwirrung und Suchaktionen zu minimieren und dadurch Zeit und Kraft zu sparen, und sorgt für einen guten Überblick für die anderen innen.

 

Hin und wieder ist irgendwas natürlich trotzdem nicht auffindbar, auch wenn Anna Kisten und Ordner sorgfältig beschriftet. Falls dann selbst Lia, die 7-Jährige innen, nicht weiß, wo sich das Gesuchte befindet, ist Anna verloren und darauf angewiesen, dass es sich durch Zufall wieder anfindet.

 

Den meisten innen machen diese Aufräum- und Ausmistaktionen sogar Spaß, insbesondere den sehr ordnungsliebenden Innenpersonen, denen dieser Haushalt im Alltag oft zu unordentlich ist. Gut, hier liegt nix rechtwinkelig, aber ich finde das hier schon sehr aufgeräumt. Ich selbst bin ja eher ein bisschen chaotisch, miau.

 

Regelmäßig dafür zu sorgen, also auch rund ums Jahr, dass es in der Wohnung einigermaßen ordentlich ist, hat meist noch einen anderen Effekt: Inneres und äußeres Chaos können sich zumindest hier gegenseitig beeinflussen. Bei Anna & Co führt eine Runde Aufräumen ähnlich wie Puzzeln oft dazu, dass das Chaos innen etwas weniger wird und sie sich neu sortieren können. Bei der Vierjährigen ist das am deutlichsten zu spüren: Je schlechter es ihr geht, desto mehr wünscht sie sich, dass Anna aufräumt. Und dann muss tatsächlich alles rechtwinkelig liegen. Mau.

 

Hin und wieder ist Anna bei diesen Aktionen allerdings so in Fahrt, dass ich aufpassen muss, dass sie nicht versehentlich etwas von meinen Sachen entsorgt (=> Vorspann zu "Zuhause"). Deswegen bleibe ich an diesen Tagen erst einmal lieber zu Hause. Wenn es aber daran geht, die diversen Ordner durchzusehen, auszumisten und Nicht-Abgeheftetes einzusortieren, mache ich mich lieber aus dem Staub. Annas Ablagesystem ist sehr durchorganisiert und kater kann da schnell etwas durcheinanderbringen.

 

Dieses Jahr war dieser Teil der Ausmistaktion noch ein wenig aufwändiger, da Anna neue Ordner angeschafft hatte. Die alten platzten aus allen Nähten oder gingen mittlerweile einfach kaputt; es ist echt unfassbar, was wegen der ganzen Behördenangelegenheiten an Papierkram anfällt. Und hier legt Anna extra viel Wert darauf, dass alles übersichtlich organisiert ist. Finde ich sehr verständlich, sie will sicher sein, dass sie selbst in der größten Krise schnell das findet, was sie braucht, miau.

 

Nun, ich hatte Anna und ihren Papierkram also allein gelassen und war zu einem Spaziergang aufgebrochen; die Sonne schien ausnahmsweise und auch wenn ein kalter Wind durch mein Fell blies, genoss ich die frische Luft sehr. Ich streunerte ein Stündchen durch die Gegend, ohne Ziel und allein. Endlich kam ich mal wieder dazu, meinen Gedanken freien Lauf zu lassen und mich ebenfalls zu sortieren, war das letzte Jahr doch mehr als ereignisreich gewesen.

 

Aber irgendwann wurden nicht nur meine Samtpfötchen kalt, sondern auch meine Ohren – und das kann ich gar nicht leiden. Der Wind hatte sich zu einem handfesten Wintersturm entwickelt und so ich trat den Rückweg an. 

 

Seit die Arbeiten am Dachgeschoss begonnen haben (=> Dachgeschossausbau Teil 1), nehme ich ganz gern den über den Hof, durch das Treppenhaus und die Wohnungstür und nicht über den Balkon wie sonst, um mal zu gucken, was die Bauarbeiter so treiben.

 

Großer Fehler, miau.

Ihr müsst wissen, dass die Wohnungstür genau gegenüber der Küche liegt, in der Anna dabei war, die Papiere zu sortieren, da dort der größte Tisch steht.

Nun, die Küchentür stand auf – und auch das große Fenster in der Küche, auf dessen Fensterbrett ich gern mal ein Schläfchen mache.

 

 

KI Bild. Rechts unten im Bild eine schwarze Katze. Sie sitzt in einer Küche. Durch die Luft wirbeln etliche Bögen DIN-A4_Papier. Auch auf dem Holzboden und dem Tisch liegen welche.

Tja, was soll ich sagen? Ich öffnete die Tür – Durchzug und Sturm – und im Bruchteil einer Sekunde wirbelten die von Anna sorgfältig gestapelten Unterlagen quer durch die Küche, als wäre da ein magischer Tornado durchgefegt. Der entsetzte Aufschrei von Sarah war vermutlich in der ganzen Umgebung zu hören.

Bevor ich auch nur irgendwie reagieren konnte, knallte die Tür hinter mir mit einem lauten „Rumms“ ins Schloss. Vor Schreck machte ich einen Satz in die Küche und landete in dem Papierchaos genau vor Anna und Co.

 

Sarah, die noch vorne war, war aufgesprungen und starrte fassungslos auf mich herunter. Schließlich presste sie hervor: „Das war der Inhalt von fünf großen Ordnern“ und fing an zu weinen.

 

Auweia. Ich war das personifizierte schlechte Gewissen und bemühte mich erst, Sarah zu trösten, und als mir das nicht gelang, Anna wieder nach vorn zu holen.

 

„Ich bring das wieder in Ordnung, okay?“, versprach ich, während Anna das Fenster schloss; sie hatte eigentlich nur kurz lüften wollen.

Noch bevor sie etwas sagen konnte, konzentrierte ich mich, aktivierte meine Magie – und schwupps lagen drei hohe, aber ausgesprochen ordentliche Stapel Papier auf dem Küchentisch.

 

Allerdings …

 

„Die sind nicht sortiert, Merlin. Verdammt, das dauert Stunden!“, minderte Anna sofort meinen Stolz über den gelungenen Zauber und sah mich leicht verzweifelt an. Ich setzte schon erneut zu einem Zauber an, vielleicht bekam ich das Ganze ja mit Magie auch sortiert, da stoppte sie mich.

„Lass! Koch mir einfach einen Kaffee. Ich muss das selbst Blatt für Blatt durchgehen“, sie sah mich resigniert an und kraulte mich hinter dem Ohr, als sie registrierte, wie bedröppelt ich ausschaute. Ein paar Minuten, in denen ich mich permanent entschuldigte und Anna mich streichelte, saßen wir auf dem Boden. Irgendwann würden wir da hoffentlich beide drüber lachen können, doch im Moment … najaaaa.

 

Schließlich machten wir uns an die Arbeit. Anna fing an zu sortieren, ich kochte Kaffee und stellte einen kleinen Teller mit Snacks zusammen. Geschnittenes Obst, ein paar Kekse und ein paar Nüsse. Nervennahrung, wie es immer so schön heißt. 

 

Ich konnte nicht viel tun, außer sehr artig auf dem Küchentisch zu sitzen und Ruhe auszustrahlen, während Anna unter Fluchen (ja, sie hat viel von mir gelernt, miau) vor sich hin sortierte. Immerhin durfte ich ab und zu etwas in den richtigen Ordner heften oder Unterlagen, die vernichtet werden konnten, mit den Krallen schreddern. Letzteres macht wirklich Spaß und hilft mir beim Abbau von Frust.

 

Als es schließlich zu dämmern begann und Anna etwa zwei Drittel sortiert hatte, piepste mein magisches Funkgerät.

„Geh ruhig ran“, murmelte Anna abwesend, während sie das Schildchen für den nächsten Ordner beschriftete.

 

Es war Spring. Doch bevor ich mein erfreutes „Hallo, Schatz“ zu Ende gesprochen hatte, sprudelte Spring schon los:

„Merlin, du musst sofort in den Zauberwald kommen. Aus dem letzten Gespräch von Penny mit Wilma hat sich vermutlich endlich eine Spur ergeben. Ich denke, wir wissen jetzt, wo sich Minna und ihre Bande aufhalten könnten. Bitte komm her. Die verdammte Wühlmaus hat sich wahrscheinlich verraten. Wir müssen …“

 

„Ich kann jetzt nicht“, warf ich eilig dazwischen, obwohl ich vor Neugier fast platzte. Zwar konnte ich Anna nicht aktiv helfen, aber ich würde sie jetzt ganz bestimmt nicht allein lassen, nachdem ich versehentlich dieses Chaos ausgelöst hatte. Nicht bevor das letzte Blatt abgeheftet und Anna & Co etwas Richtiges gegessen hatten.

 

Kurz setzte ich Spring von der Situation zu Hause in Kenntnis.

 

„Oh, verflixt. Okay, dann komm einfach so schnell wie möglich. Es ist wirklich Eile geboten.“

 

Bevor ich antworten konnte, hatte sie schon „Over“ gesagt und das Gespräch beendet.

 

 

Mist. Mist. Mist. Natürlich passieren solche Sachen immer dann, wenn es gar nicht passt, dachte ich, während ich in die Küche zurücktapste.

 

 

KI Bild. Links unten im Bild eine Wühlmaus auf einem moosbewachsenen Stein, die ansetzt über einen Fluss zu springen. Im Hintergrund rechts und links am Flussufer hohe Nadelbäume. Die untergehende Sonne spiegelt sich ein wenig im Fluss.
Wilma, die Wühlmaus

Doch bevor ich weitererzähle, sollte euch erst einmal auf den Stand der Dinge bringen, denke ich. Von der Verbindung von Penny (=> 18. Familientreffen der besonderen Art), meiner Halbschwester, zu Wilma, der Wühlmaus wisst ihr ja noch gar nichts, miau:

 

Wilma war einst so etwas wie die rechte Pfote Neros gewesen. Neben der Akquirierung neuer Mittiere für die Unheilvollen, der Betreuung ebendieser und der Rückgewinnung solcher, die aussteigen wollten, hatte sie noch diverse andere Aufgaben. Sie war so etwas wie Neros „Wühlmaus für alles“ und musste daher auch immer wieder mal auf Penny aufpassen, solange diese klein war, wenn Nero und Serafina Wichtigeres zu tun hatten. Und das war häufig der Fall. So kam es, dass die beiden eine relativ gute Beziehung zueinander entwickelten und in den späteren Jahren fast so etwas wie eine Freundschaft entstand, laut Penny. Mich schüttelte der Gedanke, eine solche „Freundin“ zu haben, dann lieber keine Freund*innen. Aber gut, ich bin auch nicht in einer Bande Unheilvoller aufgewachsen.

 

Wilma stand jedoch nur so lange fest an Neros Seite, wie dieser der Anführer der Unheilvollen war. Als Minna ihn Ende 2022 stürzte, wechselte sie die Seiten, schneller als eins gucken kann – und wurde glühende Anhängerin der Meersau. Typische Opportunistin halt.

 

Doch wie ihr bereits wisst (=> 10.2 Familiengeheimnisse), zettelte Nero eine Revolte gegen Minna an und es kam zu einer blutigen Auseinandersetzung, in deren Folge beide Gruppen erst mal von der Bildfläche verschwanden. Wilma war von Minnas Gruppe zurückgelassen worden, allein, verletzt und ohne Funkgerät. So sind sie, die Unheilvollen, Sorge füreinander tragen sie nicht. Die Wühlmaus war sich recht sicher, dass Nero ins Bergland geflohen sein würde, während sie keinen Anhaltspunkt hatte, wohin Minnas Bande verschwunden sein könnte. Und so beschloss sie, sich wieder Nero anzuschließen, lief aber aufgrund ihrer Gehirnerschütterung nach Süden statt nach Norden Richtung Bergland und wurde von uns gefangen genommen. Ihr gelang die Flucht, als der Wache schiebende Bruder von Maxi einpennte.

 

Wieder auf freier Pfote eilte sie ins Bergland und flehte Nero an, sie wieder aufzunehmen. Dieser forderte aber zunächst einen Beweis ihrer Loyalität: Wilma sollte für ihn herausfinden, wo sich Minna aufhielt. Und wieder zog die Wühlmaus los und zapfte all ihre Kontakte an und durchstöberte jeden Winkel der Magischen Welt und einiger Planeten.

 

Als sie endlich Hinweise auf den Aufenthaltsort erhalten hatte und dies Nero stolz verkünden wollte, war dieser allerdings nicht mehr im Bergland, weil JP ihn und seine Bande weggepustet hatte, um Snowflake zu retten (=> 11. Snowflake in Not). Und Wilma hatte, genau wie zunächst wir, keinen Plan, ob Nero das überlebt hatte – und falls ja, wo er sich befand. Alle Funkgeräte, die die Unheilvollen besaßen, waren durch JPs Brüllen natürlich zerstört oder in sämtlichen Universen verteilt worden, sodass Wilma keine Möglichkeit hatte, Kontakt zu ihnen aufzunehmen.

 

Kurzentschlossen wechselte die Wühlmaus also wiederum die Seiten, biederte sich bei Minna an, nachdem sie ja nun wusste, wo diese steckte, und freute sich bestimmt im Nachhinein über ihre Entscheidung, als sich in der Magischen Welt herumsprach, dass Nero gefangen genommen, verurteilt und verbannt worden war (=> 16.2 Hoch im Norden - Hoffnung). Diesem Schicksal war sie entkommen.

 

 

Ich muss gestehen, ich finde die Vorstellung, wie diese unheilvolle Wühlmaus auf der Magischen Welt herumirrte und ständig eine der Gruppen der Unheilvollen suchen musste, ein klein bisschen witzig, miau.

 

 

KI Bild. Unter einem riesigen Laubbaum sitzt eine rotgetigerte, schlanke Katze. Das Bild wirkt magisch.
Penny, meine Halbschwester.

Natürlich mussten wir im Zauberwald davon ausgehen, dass auf der gesamten Magischen Welt bekannt geworden war, dass Penny während ihres Prozesses geflohen war. Auf Antons Initiative hin streuten wir also das Gerücht, dass sie nach wie vor von uns gefangen gehalten und verhört wurde. Trotzdem war der Kreis derer, die wussten, dass sie nun zu unserer Verbündeten geworden war, groß. Viel zu groß. Doch Anton hatte eine Idee, wie wir uns das und die ehemals enge Beziehung zwischen Wilma und Penny zunutze machen könnten.

 

Er schlug vor, dass Penny versuchen sollte, Kontakt zu Wilma zu bekommen und dann so zu tun, als plane sie in Wahrheit ihre Flucht und kooperiere lediglich pro forma, um unser Vertrauen zu gewinnen, sodass die Bewachung mit der Zeit weniger streng werden würde und sie doch noch fliehen könne, um sich dann den verbliebenen Unheilvollen anzuschließen.

 

Detailgenau entwickelte er eine Story, die Penny Wilma auftischen sollte, bis hin zu der Frage, woher sie das Funkgerät hatte, so als Gefangene, miau. Er dichtete es jenem Gorilla an, der damals Wilma hatte entkommen lassen, weil er eingeschlafen war. Angeblich hatte er sein Funkgerät eines Nachts einfach liegen lassen und es bis heute nicht vermisst. Wer diesen Bruder von Maxi kennt, weiß, dass das leider nicht ganz unwahrscheinlich ist.

 

Und so funkte Penny unter Antons Aufsicht Wilma auf jener Frequenz an, die früher einzig und allein Nero nutzte, um seine rechte Pfote jederzeit erreichen zu können. 

Ich hoffte mehr als alle anderen, dass wir dadurch etwas Konkretes zum Aufenthaltsort von Minna erfahren würden. Bisher hatten Pennys Hinweise uns nicht so viel gebracht, wie erhofft. Zwar wussten wir nun unter anderem, wo das verdammte Spezialpapier (=> 13. Eine unheilvolle Entdeckung) versteckt wird, aber viele Spuren verliefen im Sand. Die Höhle, in der das Papier gelagert wird, befindet sich auf der Insel der Hohen Gipfel (siehe Karte in Wissenswertes 2), und wird seitdem von einigen magischen Hunden überwacht. Aber bisher ist da kein Unheilvolles Magisches Tier aufgetaucht, vermutlich, weil laut Penny die Unheilvollen stets einen kleinen Vorrat des Papiers in ihrem jeweiligen Hauptquartier aufbewahren.

 

Die Papiervorräte aus den Büros und dem Keller des Amtsgebäudes hatte Socke bereits vor Monaten, nach der Verhaftung von Rosalie/Heinz (=> 19. Kurzer Prozess), eines Nachts in einem kleinen, magischen Lagerfeuer auf der Wiese hinter dem Gebäude vernichtet – und sich dafür die eine millionste Rüge von Maxi eingefangen. Aber wie immer fand er, dass es das wert gewesen war. Schade, dass der Einsatz magischer Federn auf eurer Welt nun grundsätzlich verboten ist; jetzt würde sie wieder funktionieren. Das mal so nebenbei. Doch zurück zu Penny und Wilma.

 

Penny lebte ständig in der Angst, sie könne doch noch angeklagt werden, weil ihre Hinweise nicht nützlich genug waren. Ich besuchte sie so oft, wie es nur ging. Meistens saßen wir dann, ohne groß zu reden, an meinem kleinen Tümpel, Anton immer nur zwei Meter von uns entfernt. Allein das, obwohl der Kerl wirklich ein lieber ist, war natürlich wenig vertrauens-  und entspannungsfördernd. Aber Maxi blieb dabei, dass er Penny rund um die Uhr bewachen sollte, auch wenn sie mit mir zusammen war. Einzig Mascha durfte ihn hin und wieder ablösen.

 

Wir sind uns fremd und vertraut zugleich. Jedenfalls empfinde ich das so. Sie hat genau wie ich die Augen unserer Mutter, wie ich feststellte, ohne vorher gewusst zu haben, dass ich mich noch an Serafinas Augen erinnerte. Und genau wie ich hat sie auch ihre zierliche Statur geerbt. Von dem massigen Nero hat sie nur die Fellfarbe. Ich fühle mich wohl in ihrer Nähe, obwohl sie so lange eine Unheilvolle gewesen war und ich nach wie vor fast nichts von ihr weiß. Sind das diese Familienbande? Ich denke nicht. Es ist wohl eher der erlebte Schmerz, der uns verbindet, und nicht diese komischen Gene.

 

Doch ich schweife schon wieder ab, sorry, miau.

 

Wilma, wenn auch sehr erfreut von Penny zu hören, war in den Gesprächen extrem vorsichtig. Zwar schien sie hinter dem Rücken von Minna mit Penny zu sprechen, das wurde im einigen Momenten deutlich, doch auf mehr, als über alte Zeiten zu plaudern und darüber zu berichten, wie sie abwechselnd Minna und Nero gesucht hatte, ließ sich die Wühlmaus nicht ein.

 

Lediglich die Information, dass Minna und ihre Bande mittlerweile auf die Magische Welt zurückgekehrt waren, gab sie im ersten Gespräch preis, wohl im Überschwung der Freude, dass Penny angeblich plante, zu fliehen und sich den Unheilvollen anzuschließen. Nun ja, das gab uns nicht wirklich einen Anhaltspunkt; das konnte überall und nirgends sein.

 

An jenem Tag jedoch, als aufgrund meiner Unvorsichtigkeit bei Anna das Papierchaos ausbrach, hatte Penny Wilma in einem offenbar sehr unpassenden Moment erwischt, wie ich später erfahren sollte. Die Wühlmaus wirkte sehr hektisch und unkonzentriert und brach das Gespräch nach wenigen Minuten mit dem folgenden Satz ab:

„Sorry, Penny, aber Minna hat eine wichtige Sitzung anberaumt. Ich bin schon fast beim Boot.“ Gefolgt von einer kurzen Stille. Dann gewispert: „Ich muss aufhören.“

 

Boot – das war das entscheidende Wort. Denn Boote, meine Zauberhaften, gibt es vor allem, sieht eins von einem gewissen pinken Schlauchboot ab, an einem Ort auf der Magischen Welt: auf den Himmelsinseln (=> Karte in WW2).

 

Als endlich alle Unterlagen wieder sortiert und Anna & Co satt und erschöpft am frühen Abend eingeschlafen waren, sprang ich in den Zauberwald. Zuerst eilte ich zu Springs Hütte. Doch meine Liebste war nicht anwesend. Auch die kleine, recht baufällige Unterkunft von Anton und Penny war leer. Seltsam. Bei Mascha war es schon dunkel und Snowflake besuchte Mary-Jane. Aber bei Maxi war noch Licht. Gut, also direkt zur Vorstandsvorsitzenden. Seit sie mir den Einsatz der Magischen Feder verboten hat, sind wir uns nicht besonders grün. Aber es half ja nix, ich wollte wissen, wo meine Liebste steckte; ihr Funkgerät war nämlich ausgeschaltet, wie ich festgestellt hatte, bevor ich losgesprungen war, und ich hatte ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend.

 

„Anton und Spring sind vor einer halben Stunde aufgebrochen. Ich habe die beiden losgeschickt, um herauszubekommen, ob sich Minna und ihre Bande wirklich in einem der Boote auf den Himmelsinseln aufhalten. Da ich ihnen einen Sprung über die menschliche Welt gestattet habe, müssten sie also bereits dort sein“, erklärte mir Maxi etwas mürrisch, nachdem ich einfach in ihre Hütte gestürmt war, ohne zu klopfen.

 

Sie war dabei, sich bettfertig zu machen.

 

„Allein? Du hast sie allein losgeschickt?“, stieß ich entsetzt hervor.

 

„Zu zweit“, korrigierte mich Maxi besserwisserisch, „sie sollen ja nichts unternehmen. Ist lediglich ein Kundschafter*innen-Job. Selbst wenn sich Minnas Bande auf den Himmelsinseln aufhält, müssen wir ja erst in Erfahrung bringen, auf welcher der beiden sternenförmigen Inseln sich der Unterschlupf befindet.“

 

Mir wurde übel.

 

„Um die gefährlichste Unheilvolle, die es je gab, aufzuspüren …“, weiter kam ich nicht.

 

Maxi unterbrach mich: „Es ist doch gar nicht sicher, ob sich Minna da aufhält. Sie kann sich mit ihrer Bande genauso gut anderswo ein Boot beschafft oder gar selbst gebaut haben. Zwei Katzen sind viel unauffälliger als das SEK. Da hat Konrad schon Recht. Und jetzt würde ich gern ein paar Stunden schlafen. Es war ein anstrengender Tag.“

 

Mit dem letzten Satz machte sie eine Kopfbewegung Richtung Tür. Ich öffnete noch einmal den Mund, um etwas zu sagen, ließ es dann aber und verließ eilig Maxis Hütte.

 

Verdammter Feenstaub. Das flaue Gefühl in meiner Magengegend wurde stärker. Kurzentschlossen schickte ich Tasso eine Nachricht, dass er Anna über Hannes Handy informieren sollte, dass ich in der Nacht nicht mehr nach Hause kommen würde, und sprang über die menschliche Welt auf gut Glück auf die größere der beiden sternenförmigen Himmelsinseln, in der Hoffnung, dass auch Spring und Anton sich für diese entschieden hatten.

 

Und was ich dort erlebt habe, meine Zauberhaften, erzähle ich euch im nächsten Teil der Geschichte. Ich weiß, ihr seid jetzt neugierig wie eine Katz, wie das Ganze weiter ging. Doch für heute ist Schluss. Wir lesen uns. Bis bald.

 

Wie immer dürft ihr mir gern hier auf dem Blog oder auf meinen Social Media Accounts einen Kommentar hinterlassen. Oder ihr schreibt mir eine nette Nachricht über das Kontaktformular. Miau.

 

 

Es grüßt euch herzlich euer Merlin. 

Kommentare: 3
  • #3

    firefly (Montag, 10 Februar 2025 17:58)

    was für ein schönes chaos zum ende einer aufgeräumten geschichte - bin gespannt, wie es weitergeht

  • #2

    Hartmut (Montag, 10 Februar 2025 15:40)

    Also Merlin ich muss ja sagen, dieser Teil der Geschichte ist wahnsinnig spannend und aufregend. Und ja, ich mag eigentlich keine Cliffhanger. Ich hätte jetzt die ganze Zeit weiterlesen können, aber was kommt? Warten. Naja.
    Tja, das mit dem Chaos und wie gut Anna das alles für sich auf die Reihe kriegt, ist schon bemerkenswert. Ich meine, auch bei uns gibt es eine ganze Reihe von Leuten, die sehr gut planen und Ordnung halten. Bei DIS-Systemen wahrscheinlich um ein Vielfaches mehr, wie ich das zumindest hier verstehe. Ich bin eher auch ein leichter Chaos-Mensch – nur auf der Arbeit war es anders.
    Aber dass natürlich Sarah in dem Moment vorne war, war sicherlich nicht sehr schön. Wir wissen ja, wie sensibel sie auf bestimmte Sachen reagiert. Naja, ihr habt es ja ansatzweise wieder hinbekommen. Ich hätte in dieser Gesamtsituation auch nicht gerne dabei sein wollen. Ich kann mir gut vorstellen, wie sauer Anna gewesen sein muss. Obwohl man sagen muss: Du warst ja nicht allein schuld. Sie hat vergessen, das Fenster zuzumachen. Naja, so ist das halt.
    Und dann, in diesem ganzen Chaos, kommt auch noch so ein wichtiger Anruf, und du kommst erst mal nicht weg. Das muss schon ganz schön hart gewesen sein.
    Diese Zwischensequenz mit Penny fand ich übrigens sehr schön. Irgendwie magst du sie ja, und sie muss dich wahrscheinlich genauso mögen. Aber was soll’s – sie hatte ja nun eine ganz andere Geschichte. Und das dann auch noch bei den Unheilvollen… naja.
    Maxine ist wirklich nicht unbedingt diejenige, die dich besonders gerne mag. Aber immerhin herrscht eine friedliche Koexistenz. Sie hat zumindest gesagt, wo sie sein könnten. Und so ganz Unrecht hatte sie ja nicht – nicht gleich von vornherein überall alles hinzuschicken, sondern erst mal eine kleine Truppe loszuschicken.
    Ja, und dann denkt man, jetzt geht es endlich los… und dann: nichts. Jetzt muss ich warten. Aber es war eine tolle Geschichte. Danke!

  • #1

    @energiepirat (Sonntag, 09 Februar 2025 13:40)

    Lieber Merlin, Traditionen und Rituale helfen uns bei uns zu bleiben. Wenn es um Sauberkei (Putzfimmel) Hygiene und Ordnung geht, dann erst Recht,

    Aber natürlich darf ein Chaosstiftendes Wesen wie eine Katze dabei nicht fehlen,. Sonst weiß man die Ordnung nicht zu schätzen. Insofern: Gut gemacht! Ablagesysteme durcheinander zu bringen gehört auch zu Katers Aufgaben. Nur dadurch kann man sicherstellen, dass Überflüssiges nicht allzu lange aufbewahrt und damit zum Ballast wird. Gemäß Deinen Worten: "Unterlagen, die vernichtet werden konnten, mit den Krallen schreddern." (Ja, in meiner Seele bin ich ja auch eine Katze). Ich konnte das Papier buchstäblich vor meinen Augen durch den Raum tanzen sehen und hoffe, dass nichts aus dem Fenster geflogen ist

    Ich denke, das sollten wir in unserem politischen System auch so halten, Amtszeitenauf 5 Jahre und Wiederwahl nur einmal.

    Und sehr elegant, wie Du den neuen Cliffhanger gestartet hast. Bin schon wieder neugierig.

    Ich freue mich also schon auf die Fortsetzung und hoffe ich finde die Zeit dazu,