
Miau und hallo, meine zauberhaften Fans,
nun, ich denke, ich spare mir eine lange Vorrede und beginne direkt damit, euch zu berichten, was nach den Ereignissen in 21.1 auf den Himmelsinseln geschah. Einverstanden?
Gut.
Ich landete also so etwa gegen 21 Uhr im Süden der größeren sternenförmigen Insel, die über und über von Flüssen durchzogen ist, an deren Ufern hohes, dichtes Schilf wächst. Der blaue Vollmond schien hell; die bunten Sterne funkelten beeindruckend am Himmel. Theoretisch war die Sicht also gar nicht so schlecht, wäre da nicht das Dickicht aus Schilf gewesen. (Mehr zu den Himmelsinseln findet ihr in Wissenswertes 2)
Als erstes aktivierte ich mein magisches Gehör (=> Geschichten 2 und 3), mit dessen Hilfe ich Spring hoffentlich ausfindig machen würde. So riesig ist die Insel schließlich nicht. Doch ich empfing nur Stille; auch Anton konnte ich nicht ausmachen. Behutsam schlich ich landeinwärts, die Ohren aufmerksam aufgestellt. So aufmerksam, dass ich mehrmals in einen der Flüsse tapste, weil ich nicht mehr drauf geachtet hatte, wohin ich trat. Allerdings war das mit den nassen Pfoten ziemlich egal; ich musste nämlich jeden dieser verflixten Flüsse schwimmend durchqueren. Schwimmend, Leute! Im Wasser! Um hinüberzuspringen, waren sie zu breit, jedenfalls für mich. Für jedes andere magische Tiere wäre es ein Katzensprung gewesen, nun ja, miau.
Nach etwa einer halben Stunde erblickte ich in der Ferne ein Lagerfeuer, an dem ich mich orientierte. Vermutlich war dort der zentrale Platz der Insel. Fast alle Gemeinschaften magischer Wesen, die auf meiner Welt leben, haben einen solchen Platz, für Versammlungen und Feste. Tatsächlich vernahm ich nach einigen Minuten den Gesang der Gattopos, jene magischen Wesen, die dort leben und aussehen wie eine Mischung aus Katz und Maus.
Davon ausgehend, dass auch Spring und Anton diesen Platz als erstes ansteuern würden, hielt ich weiter darauf zu und hörte nach ein paar Minuten endlich einen Gedanken von Spring, allerdings recht weit entfernt: ‚Gut, dass Merlin nicht dabei ist. Über diese verflixten Flüsse zu springen, wäre echt nichts für ihn.‘ Und dann: ‚Aber er fehlt mir.‘
‚Du mir auch, Schatz‘, dachte ich und schwamm durch den letzten Fluss, der mich noch vom Versammlungsplatz trennte. Und dann sah ich sie zum ersten Mal live, die Gattopos, im Feuerschein tanzend und singend in ihren Kostümen, so fröhlich, dass es eins in den Pfoten juckte, mitzufeiern.
Doch ich unterdrückte den Impuls und versuchte erneut, Spring zu orten.
‚Hoffe, wir sind bald da‘, vernahm ich einen weiteren Gedanken meiner Liebsten, allerdings wieder weiter entfernt. Es klang, als würde sie sich vom Festplatz wegbewegen, verflixter Feenstaub.

Plötzlich bemerkte ich eine Bewegung dicht neben mir und sah in die Augen eines Gattopos-Kindes. Vor Schreck entfuhr mir ein Schrei. Wie hatte sich das so unbemerkt an mich anschleichen können?
„Pssst, nicht so laut“, fuhr es mich an. „Ich müsste längst im Bett sein. Wenn Mama mich hier entdeckt, bekomme ich Ärger. Und ich gucke doch den Festen so gerne zu. Ich darf immer nur eine halbe Stunde vor dem Ins-Bett-Gehen dabei sein. Und auch nur, wenn ich dann schon bettfertig bin.“
Ich murmelte ein rasches „Sorry“, doch das Kleine redete schon weiter. „Sind viele Katzen hier unterwegs heute Nacht. Du suchst bestimmt die beiden anderen, oder? Der Große Boss, meine Mama“, es deutete auf eine rundliche Gattopo, „hat sich vorhin mit ihnen unterhalten, kurz bevor sie mich ins Bett geschickt hat. Aber ich habe nur so getan, als würde ich nach Hause laufen, und hab mich hier versteckt. Du muss wirklich aufpassen, wo du hinläufst, du wärst fast auf mich draufgetreten. Spricht allerdings für mein Versteck. Ich kann mich echt gut verstecken. Aber warum bist du so nass?“
Oha, eine Quasselstrippe, so wie Tasso, nur in Gestalt eines winzigen Gattopos in einem Nachthemd und mit einer Schlafmütze auf dem Kopf. Eine niedliche Quasselstrippe. Dennoch.
„Weißt du, was die drei geredet haben?“ Ich überging seine Frage wegen meines nassen Fells einfach und kam zum Wesentlichen.
„Ja, klar“, stolz sah mich das Kleine an. „Sie wollten wissen, ob es hier irgendwo ein Boot gibt, in dem ein Meerschweinchen lebt. Das hätten sie mich auch fragen können. Alle hier kennen das Boot mit den komischen Tieren drin. Sie sind schon eine ganze Weile hier, reden aber kaum mit uns. Und tanzen und singen mögen sie auch nicht. Glaub ich. Sie wirken immer so mürrisch.“
Ich war wie elektrisiert, verbarg aber meine Aufregung vor dem Kleinen. Minna und ihre Bande waren hier. Und Spring und Anton auf dem Weg zu ihrem Versteck. Jetzt war Eile geboten.
„Verrätst du mir, wo dieses Boot liegt?“
„Das sag ich dir nur, wenn du mir eine Geschichte erzählst“, das Gattopo-Kind sah mich verschmitzt an. Verdammt, dafür hatte ich keine Zeit.
„Das würde ich gern tun. Aber ich hab es wirklich eilig. Ich muss ganz dringend zu diesen beiden Katzen, verstehst du?“, appellierte ich an das Kleine.
„Ist die Graue deine Liebste?“
Ich nickte rasch.
„Will der andere Kater sie dir ausspannen?“
Äh, ich hoffe nicht.
Doch bevor ich antworten konnte, fuhr das kleine Gattopo fort: „Dann sag ich dir es natürlich. Ich mag so etwas nicht. Mama hat Papa vor kurzem vor die Tür gesetzt, weil er mit einer anderen Gattopo-Dame angebandelt hat“, sein Blick wurde traurig. Schließlich holte es tief Luft: „Das Boot liegt ganz im Norden. An der Spitze des nördlichsten Zackens, um genau zu sein. Aber sie sind noch nicht lange weg. Wenn du dich beeilst, holst du sie noch ein. Und dann zeigst du diesem Kater, was ne Harke ist. Okay?“
Um die Sache abzukürzen, murmelte ich ebenfalls „Okay“ und schämte mich dafür ein bisschen. Ein bisschen sehr. Doch ich konnte dem Kleinen jetzt nicht erklären, warum ich wirklich nach Spring und Anton suchte, zumal ich bezweifelte, dass es schon je von den Unheilvollen gehört hatte. Die Gattopos interessieren sich nicht besonders dafür, was in anderen Teilen der Magischen Welt vor sich geht. Das war schon immer so. In der Regel bleiben sie unter sich und leben nach ihren eigenen Vorstellungen auf den Himmelsinseln. Insofern war dieser Ort in der Tat ein perfektes Versteck für Minna und ihre Bande.
„Sobald ich ein bisschen mehr Zeit habe, komme ich zurück und erzähle dir eine Geschichte, ja?“, ich erhob mich bei den Worten.
Das Kleine sah mich ernst an: „Du musst dann nach Mino fragen. Und … viel Glück.“
Damit versteckte es sich wieder tiefer im Schilf und es brach mir fast das Herz.
„Bis bald, Mino“, flüsterte ich, atmete tief durch und versuchte, mich zu orientieren.
„Du musst da lang“, piepste es aus dem Schilf, jetzt ein klein bisschen amüsiert, und eine kleine Pfote tauchte auf und wies mir die Richtung.
„Danke“, ich setzte mich in Bewegung und lief, hüpfte und schwamm, so schnell ich konnte, bis endlich die Spitze des nördlichsten Zackens in Sicht kam. Es roch jetzt nach Meer und ich konnte den Türkisen Ozean bereits hören.
Im Gegensatz zu Spring. Doch von Anton fing ich Gedanken auf: ‚Oh, sie ist eingeschlafen. Soll sie. Wir sind gut versteckt und haben einen prima Blick auf das Boot. Ist eh sinnvoller, wenn wir abwechselnd Wache schieben …‘

Während ich Antons Gedankenstrom lauschte, schlich ich mich bis auf etwa dreißig bis vierzig Meter an die Stelle heran, wo ich ihn und meine offenbar schlafende Liebste verortete. Mittlerweile konnte ich das bunte Hausboot im Mondlicht erkennen, direkt an der Stelle, wo der Fluss in den Ozean mündet. Auf dem Boot war alles dunkel. Die Unheilvollen schliefen wohl ebenfalls. Das Schilf bot weiterhin ein gutes Versteck, sodass ich Anton und Spring noch immer nicht sehen konnte.
Ich war ein wenig planlos, ob ich mich ihnen anschließen oder sie und das Boot aus sicherer Entfernung beobachten sollte. Doch bevor ich mich entschieden hatte, ging alles ganz schnell.
Urplötzlich, wie aus dem Nichts, sah ich ein winziges Licht über dem Schilf auftauchen, ungefähr da, wo Spring und Anton sich befinden mussten. Begleitet von einem leisen, penetranten Klingeln und dem glockenhellen Ruf: „Hier!“
Und nur eine Millisekunde später schoss vom Boot aus ein Magiestrahl in Richtung der Stelle, verwandelte sich in ein Rettungsnetz, wie das, womit Mascha Snowflake und mich vor so vielen Jahren aus einem Fluss gefischt hatte (=> 6. Bewährungsprobe), schloss sich um Anton und Spring und schleuderte die beiden aufs Boot. Sie kamen nicht mal dazu, zu schreien, geschweige denn zu kämpfen, schon wirbelten vom Boot aus vierzig, vielleicht fünfzig Tiere inklusive des magischen Rettungsnetzes in die Luft und verschwanden im Nichts. Minnas Bande war mit einem Sprung in die Dimensionen erneut geflohen – mit meiner Liebsten und Anton im Gepäck.
Für ein paar Sekunden hockte ich stocksteif im Schilf. Konnte nicht atmen, mich nicht bewegen. Nicht denken. Doch dann hörte ich mich selbst schreien: „Neiiiiin!“.
Der Schrei kam aus meinem tiefsten Inneren, voll von Entsetzen und Schmerz, und ich sprang auf, wollte losrennen, wollte auf dieses verdammte Boot, wollte … Kaum stand ich, bereit Richtung Boot zu sprinten, landete eine Pfote auf meinem Rücken und drückte mich zu Boden, so fest, dass mir die Luft wegblieb.
Was zum grünen Troll?!
„Stopp, Kumpel. Du gehst da nicht allein rein!“
Tasso? Was machte der hier? Ich wand mich unter seinem festen Griff und drehte mich ein bisschen, um ihn fassungslos anzusehen. Seit den Geschehnissen in 17. Und manchmal wird doch alles gut ist der Gute recht abenteuerlustig.
„Ich bin dir gefolgt. So wie du Spring und Anton. Hatte auch kein gutes Gefühl.“
Bevor er weiterreden konnte, schnaufte ich mühselig: „Würdest du bitte die Pfote von mir herunternehmen?“
„Oh, tschuldige, wollte nicht grob sein“, murmelte Tasso und gab mich frei. Dann sprach er weiter: „Ich bin per Zufall hier gelandet und sah erst Anton und Spring eintreffen, dann dich. Ihr habt mich alle drei nicht bemerkt. Dieses Schilf ist wirklich sehr dicht. Und dann tauchte diese Fee auf und … naja, du hast es ja selbst gesehen.“
„Karina. Karina, die Ewige. War eigentlich klar, dass sie nach der missglückten Attacke auf Snowflake damals zu Minna geflohen ist (=> 11. Snowflake in Not). Warum haben wir sie nicht früher gesehen?“
„Sie war getarnt unterwegs. Haben Glück gehabt, dass sie uns nicht auch noch entdeckt hat.“
Ich wusste nicht einmal, dass Feen sich tarnen konnten, aber ehrlich gesagt, war mir das völlig egal. Ich wollte aufs Boot, schauen, ob sich irgendein Hinweis fand, wohin die Unheilvollen meine Liebste und Anton entführt hatten.
Entführt.
Spring befand sich in den Pfoten der Unheilvollen.
Mir knickten fast die Beine weg, bei diesem Gedanken. Doch ich riss mich zusammen. Zusammenbrechen konnte ich später. Erst aufs Boot, dann in den Zauberwald. Spring finden. Jetzt rannte ich los, war schneller als Tasso, der mir allerdings folgte, fegte durch das Schilf und über den schmalen Streifen Strand, als gäbe es kein Morgen. Ich sprang auf das Boot, landete auf dem Bauch, recht schmerzhaft sogar, aber das war mir egal. Ich stürmte in die Kajüte, die riesiger war, als das kleine Boot vermuten ließ. Bereit zu kämpfen, sollte sich da noch ein Unheilvolles Magisches Tier befinden.
Doch der Raum unter Deck war leer. Und dunkel. Bis auf eine winzige Laterne auf einem Schreibtisch, deren Licht von außen nicht zu sehen gewesen war. Es war nur eine sehr kleine Funzel. Neben ihr lag ein Brief.

„Haben zwei eurer Katzen gefangen genommen. Wenn ihr sie lebend wiedersehen wollt, übergebt ihr uns Penny, die Verräterin. Versucht nicht, uns zu finden, wenn euch euer Leben und das der Gefangenen lieb ist. Weitere Infos folgen.“
Darunter eine gekrakelte Unterschrift: Minna.
Verdammt, sie hatten gewusst, dass wir auf dem Weg hierher waren, dass wir eine Ahnung von ihrem Aufenthaltsort hatten, sonst läge der Brief hier nicht. Irgendeins musste uns verraten haben.
Wilma? Hatte sie Penny mit der vermeintlich versehentlich gefallenen Bemerkung über das Boot eine Falle gestellt?
Nicht unwahrscheinlich, eigentlich, aber Penny war sich sicher gewesen, dass Wilma den Kontakt zu ihr für sich behalten würde, aus alter Verbundenheit und Loyalität zu meiner Halbschwester.
Hatte sie sich in der Wühlmaus getäuscht? Oder – noch schlimmer – war es Penny selbst gewesen? Für einen Moment krampfte sich mein Magen noch mehr zusammen. Das konnte und wollte ich mir nicht vorstellen. Und dann stünde dort nicht ‚die Verräterin‘. Oder war das ein Fake, der uns in die Irre führen sollte? Mir schwirrte der Kopf.
Doch es gab noch eine weitere Möglichkeit. Ich hielt die Luft an. Das musste ich klären und anschließend würden wir einen Plan schmieden, wie wir Spring und Anton befreien konnten. Schnell durchsuchte ich die Kajüte, aber es fanden sich keinerlei brauchbare Hinweise. Dann wandte ich mich an Tasso:
„Wir müssen in den Zauberwald. Als erstes zu Mascha und Penny. Wir springen über eure Wohnung. Bis gleich.“
Schon stieß ich mich ab und sprang durch die Dimensionen.
Wir landeten zeitgleich vor Maschas Hütte und liefen rasch hinein. Mascha war sofort hellwach und sah mir an, dass etwas Furchtbares geschehen war. Tasso half mir, ihr und der noch sehr verschlafenen Penny zu berichten, was passiert war, da ich mich ständig verhedderte.
Als wir geendet hatten, flüsterte Penny heiser: „Ich hab damit nichts zu tun, Merlin. Ich … bitte, glaub mir.“
Für einen Moment blickte ich sie prüfend an. Sah ihre vor Angst flackernden Augen, die Anspannung im ganzen Körper. Und war mir sicher, dass sie die Wahrheit sagte.
„Ich glaube dir. Ich habe einen anderen Verdacht. Ich muss zu Maxi“, kaum zu Ende gesprochen, stürmte ich hinaus und betrat Sekunden später zum zweiten Mal innerhalb weniger Stunden Maxis Unterkunft, erneut ohne zu klopfen.
„Wessen Idee war es, Spring und Anton allein loszuschicken?“, ich brüllte die Vorstandsvorsitzende ohne weitere Vorrede an, kaum dass sie aus dem Schlaf hochgefahren war und fast die kleine Lampe, die neben ihrem Bett stand und einen schwachen Schein abgab, umgeworfen hätte. Ein Satz, nebenbei fallengelassen von ihr, vor ein paar Stunden, dröhnte seit einigen Minuten laut in meinem Kopf.
„Wovon redest du? Was machst du hier überhaupt? Es ist mitten in der Nacht!“ Mit einer Armbewegung sorgte sie dafür, dass die Lampe heller brannte, und rappelte sich auf.
Der Blick, den sie mir zuwarf, war trotz allem eher besorgt als verärgert: „Was ist denn passiert?“
„Sag mir erst, wessen Idee das war! Konrads, oder?“
„Ja, ich hab mich mit ihm und Pat beraten und er hat das vorgeschlagen. In der Tat. Was zum grünen Troll ist passiert, Merlin?“
Mir entfuhr ein Schimpfwort, das ich hier besser nicht wiedergebe, falls (Innen-)Kinder mitlesen. Dann riss ich mich zusammen und fasste die Ereignisse für Maxi zusammen. Unsere Vorstandsvorsitzende kam jedoch nicht zum Antworten, denn in ihrer Tür erschien … Konrad.

„Wenn eins vom Teufel spricht“, fauchte ich und wollte auf ihn losgehen, doch Maxi stoppte mich mit einem ihrer berühmt-berüchtigten strengen Blicke, sah dann unseren Chefspion an und fragte: „Und was willst du hier mitten in der Nacht?“
Sie klang recht genervt.
„Ich hab noch Licht gesehen – und wollte mich erkundigen, wie die Aktion gelaufen ist?“, antwortete das Killerkaninchen mit unschuldig klingender Stimme.
Wütend starrte ich ihn an. „Das weißt du doch ganz genau. Du hast doch Minna verraten, dass Penny und Wilma Kontakt haben und Spring und Anton auf dem Weg zu dem Hausboot sind. Sie sind entführt worden, deinetwegen“, fauchte ich los und war noch lange nicht fertig. Eigentlich.
„Wie bitte?“, unterbrach mich das Karnickel und Maxi gab ihm rasch eine etwas sachlichere Zusammenfassung der Ereignisse.
„Gar nichts habe ich damit zu tun“, fuhr mich Konrad daraufhin hasserfüllt an. „Rein gar nichts!“
„Ach nein? Es ist immer nur Zufall“, jetzt wurde ich zynisch, „dass jedes Mal irgendwas schiefgeht, wenn du deine Pfoten im Spiel hast? Wie vor knapp zwei Jahren im Feenwald. Und damals bei Clementinas Mutter … (=> 16.1 Hoch im Norden - Freundin in Not)“
„Lass Cosima aus dem Spiel“, zischte Konrad scharf.
„Warum? Du hast sie allein gelassen. Du warst scharf auf ihren Job. Sie ist gestorben, weil …“
„Weil ich ein jämmerlicher Feigling war, ja. Auf die Idee bist du natürlich nicht gekommen, du ach-so-schlauer Kater“, Konrads Augen hatten sich zu Schlitzen verengt. „Ein Feigling, der noch nicht sterben wollte und daher eine falsche Entscheidung getroffen hat. Aber nein, das böse Killerkaninchen, einst ein Unheilvoller, hat ihr natürlich eine Falle gestellt. So wie jetzt deiner geliebten Katze. Wilma hat gequatscht, verdammt noch mal. Oder deine Halbschwester, eine Unheilvolle bis in die letzte Zelle ihres Körpers, wenn du mich fragst. Warum traust du ihr? Und selbst die so unschuldig wirkenden Gattopos könnten Spring und Anton verraten haben. Mal daran gedacht?“ Er machte eine kurze Pause.
Als ich nicht antwortete, lachte er höhnisch auf: „Nein, natürlich bin ich an allem schuld. Schon klar. Weißt du was? Macht euern Sch… hier doch allein!“ Er wandte sich zur Tür.
„Warte!“, rief Maxi. Doch zu spät. Konrad setzte zu einem Dimensionensprung an und war in der nächsten Sekunde verschwunden.
„Ach, Merlin“, seufzte die Vorstandsvorsitzende. „Das war jetzt echt überflüssig.“
„Glaubst du ihm den Käse etwa? Das war doch ein geradezu klassischer Versuch einer Täter*innen-Opfer-Umkehr“, fauchte ich.
„Ich weiß es nicht“, Maxi reagierte erstaunlich milde, „aber ich hatte dir versprochen, ihn im Auge zu behalten und das habe ich getan. Das wird jetzt allerdings schwierig.“
„Aber es war seine Idee, Spring und Anton allein loszuschicken.“
„Ja. Und ich habe die Idee aufgegriffen. Spring und Anton haben zugestimmt. Es war sein Vorschlag. Aber nicht seine Entscheidung. Doch wenn du Recht hast und er spielt ein falsches Spiel mit uns, haben wir jetzt ein sehr großes Problem. Ich werde Pat losschicken, ihn zurückzuholen. Aber zunächst müssen wir beraten, was wir jetzt tun.“
„Da braucht ihr nichts groß zu beraten. Ich habe längst eine Entscheidung getroffen“, Penny, mit Mascha und Snowflake hinter sich, betrat nun ebenfalls Maxis Unterkunft. Bei Maxi war anscheinend Nacht der offenen Tür. Pyjama-Partys hatte ich mir immer unbeschwerter vorgestellt, miau.
„Ich lasse mich austauschen – und Spring und Anton kommen frei“, erklärte Penny, mit einer Bestimmtheit, die klar machte, dass Widerspruch zwecklos wäre.
Snowflake, den Mascha offenbar per Funk aus dem Feenwald zurückbeordert hatte, gab mir mit einem Blick zu verstehen, dass er wusste, wie viel Angst ich hatte. Das ist der Vorteil so langer Freund*innenschaften; manchmal braucht es keine Worte mehr.
Er wandte sich an Penny: „Die Gefahr, dass sie dich töten, ist aber ziemlich groß. Sie haben dich als Verräterin bezeichnet. Und was sie mit Verräter*innen machen …“
„Ist mir mehr als bekannt“, Penny Stimme klang bitter. „Besser als euch. Aber ansonsten werden sie Anton und Spring töten. Und ich werde nicht zulassen, dass zwei so wunderbare Katzen meinetwegen ermordet werden.“
In mir zog sich alles zusammen. So konnten wir Spring und Anton retten, ja. Aber ich würde meine Halbschwester verlieren, noch bevor ich die Chance gehabt hatte, sie richtig kennenzulernen.
„Du musst das nicht tun“, wieder Snowflake, ich hörte ihn nur durch einen Nebel, „es gibt bestimmt noch eine andere Möglichkeit.“
„Gibt es nicht. Und das wisst ihr alle. Einen Kampf bei der Übergabe verliert ihr. Dann gehen wir alle drauf. Wir warten auf die nächsten Infos und dann tauscht ihr mich aus. Und wenn ich sterbe, sterbe ich.“
„Dein letztes Wort?“, Snowflake, leise, behutsam diese Frage an Penny stellend, war anzusehen, dass es ihm mit ihrer Entscheidung nicht gut ging.
„Ja.“
Ich schluckte. Wieder hatte ich das Gefühl, gleich zusammenzubrechen. ‚Nicht jetzt‘, schoss es durch meinen Kopf. Die beiden Worte, die Anna immer dann vor sich hinmurmelte, wenn sie einen aufziehenden inneren Tsunami versuchte, vorübergehend zu stoppen, weil sie vorher noch irgendwas Wichtiges regeln musste. ‚Nicht jetzt‘.
Ein paar Sekunden lang herrschte Schweigen, bis Mascha das Wort ergriff: „Ich schätze, wir haben noch ein paar Stunden, bis die nächste Nachricht eintrifft. Wir sollten die Zeit nutzen und versuchen, etwas zur Ruhe zu kommen und Kraft zu tanken. Vor allem, du, Penny.“
Zustimmendes Gemurmel von allen Seiten.
Ich jedoch verstand die Welt bzw. den Zauberwald nicht mehr. Wir würden also die Übergabe einfach durchführen und gar nicht versuchen, alle drei zu retten? Fassungslos stand ich vor Maxis Hütte, während die anderen sich bereits auf den Weg zu Mascha machten.
Nur Penny war neben mir stehengeblieben.
Leicht stupste sie mich mit der Nase an: „Ich werde versuchen, zurückzukommen, Merlin. Meine Kräfte sind so viel stärker als früher, jedenfalls wenn ihr vor der Übergabe die Magieblockade löst. Vielleicht bekomme ich dadurch eine Chance zu fliehen.“
„Aber die beherrschen Miese Magische Energie“, verzweifelt sah ich meine Halbschwester an.
„Ich auch, Merlin. Ich auch. Vergiss das nicht.“
Wie konnte sie nur so ruhig sein? Ich schluckte und suchte nach Worten.

Doch Penny kam mir zuvor.
„Verbringen wir die Nacht an deinem Tümpel?“, fragte sie leise, aber in einem Tonfall, der deutlich machte, dass das Thema für sie beendet war. Mit schwerem Herzen stimmte ich zu und wir liefen langsam zu meinem, zu unserem Lieblingsplatz.
Es wurde eine endlos lange, schlaflose Nacht, wie ihr euch denken könnt. In den frühen Morgenstunden gesellten sich Mascha und Tasso zu uns, die natürlich auch nicht zur Ruhe kamen. Auf meine Bitte hin löste Mascha schon jetzt die Magieblockade bei Penny. Ich hatte Sorge, dass das später untergehen könnte.
Tja, und dann, am Vormittag, wir waren inzwischen in Maschas Hütte zurückgekehrt, wo sie uns alle nötigte, wenigstens etwas zu essen, war es dann so weit:
Snowflake und Maxi betraten die Hütte.
„Es geht gleich los. Sie haben uns die Zeit mitgeteilt. Um 11 Uhr startet der Austausch“, sagte er mit ruhiger Stimme „Das ist in zwanzig Minuten. Wir sollen uns bereithalten. Um 10:58 Uhr teilen sie mir über magischen Funk den Ort mit, an den wir springen sollen. Wenn wir zu spät kommen oder Penny mehr als zwei Begleiter*innen hat, werden sie Spring und Anton töten.“
Penny atmete tief durch, dann erklärte sie: „Der Ort, den sie uns gleich nennen, wird noch nicht der Übergabeort sein. Das haben sie in solchen Fällen immer so gemacht, um zu verhindern, dass Verstärkung hinterher springen kann. Den eigentlichen Treffpunkt werden sie uns über Funk in der Sekunde durchgeben, in der wir an der Zwischenstation landen. Dort werden einige von ihnen auf uns warten und aufpassen, dass wir wirklich nichts weitergeben. Allerdings ist das alles zeitlich so knapp kalkuliert, dass wir sowieso keine Chance hätten, den Übergabeort an irgendeins weiterzugeben, ohne zu riskieren, dass Spring und Anton – oder wir alle – getötet werden. Wir haben pro Sprung maximal eine Minute.“
Snowflake nickte: „Das habe ich mir schon gedacht. Das heißt, volle Konzentration beim Springen.“
Dann wandte er sich an mich: „Ich nehme an, du willst uns begleiten?“
Als ich nickte, fuhr er fort: „Gut. Dann springen wir aber zusammen. Du bleibst an meiner Seite.“
Das war keine Bitte, sondern eindeutig die Anweisung unseres Chefdiplomaten. Doch ich protestierte nicht, wir konnten es uns einfach nicht leisten, dass ich mich vor Aufregung versprang oder so ungeschickt landete, dass es zu Verzögerungen kommen würde. Da hatte mein bester Freund schon Recht.
Die letzten Minuten zogen sich wie Kaugummi, doch dann endlich, um 10:58 Uhr, piepste Snowflakes Funkgerät und eine harsche Stimme gab uns die Koordinaten einer Stelle auf einem weit entfernt liegenden Planeten durch. Penny und mein bester Freund nahmen mich in die Mitte und auf Snowflakes Kommando hin sprangen wir gemeinsam los. Durch die Dimensionen und mitten hinein in den dritten Teil dieses Abenteuers, miau.
So, meine Zauberhaften, hier stoppe ich erst einmal. Etwas abrupt, zugegeben. Doch ob mit der Übergabe alles klappte, ob ich Spring wiedersehen würde, ob Penny sich retten konnte – all das erfahrt ihr in „21.3 Eine unheilvolle Spur - Bange Stunden“.
Bis bald. Wir lesen uns.
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Es grüßt euch herzlich euer Merlin.
@energiepirat (Samstag, 22 März 2025 15:01)
Lieber Merlin,
Eine Geschichte, deren Schwung mich schon wieder mitreißt. Miau. Super. Ich habe zwar selbst kaum Zeit für irgendwas, aber wenigstens kann ich mal eine halbe Stunde Abschalten, wenn ich Deine tollen Geschichten lese.
Ein exzellenter Cliffhanger zum Weiterlesen. Das ist schon nahe an der Verfilmbarkeit. Und so schön.
Ich freue mich schon auf die nächste Folge.
Danke sehr
firefly (Sonntag, 09 März 2025 16:21)
was für ein cliffhanger - bin sehr gespannt (und ein bisschen besorgt um alle �)
Hartmut (Sonntag, 09 März 2025 13:10)
Das war eine der spannenden Geschichten von dir. Und ehrlich, Merlin, es tut mir leid wegen des Schwimmens. Und das Springen – auch so nett, dass du daran gedacht hast. Es war ganz witzig. Aber die Krönung war das kleine Gattopo. Das quasselte ja wirklich wie ein Kindergartenkind. Sowas hast du häufig im Kindergarten. Man muss schon aufpassen, was da so alles passiert. Aber lieb von ihm – immerhin hat er gesagt, wo es langgeht.
Je weiter man in diese Geschichte eindringt, umso deutlicher wird, wer alles auf der bösen Seite mitspielt. Selbst die Fee taucht auf. Karina – da ist sie wieder! Das habe ich mir gedacht, dass sie auch auftaucht. Eigentlich sind sie alle da.
Dass du sehr wütend warst, konnte man schon allein daran deutlich erkennen, dass du das Killerkaninchen “Karnickel” genannt hast. Das hättest du sonst nie getan. Aber danke, dass du kleine Gimmicks eingebaut hast, sodass man zwischendurch auch mal Luft holen kann – wie zum Beispiel mit der Pyjama-Party.
Das wird alles verdammt schwer. Und dann noch dieser Sprung. Und ich muss warten. Oh Mann. Wie ich das nur aushalten soll