
Miau und hallo, meine zauberhaften Leser*innen,
ich sag’s mal so: Es war eine mehr als gute Idee, dass Snowflake, Penny und ich Seite an Seite gesprungen sind (=> 21.2). Kaum hatten unsere Pfoten jenen Planeten berührt, den uns die Stimme aus dem Funkgerät mitgeteilt hatte, kam schon der nächste Funkspruch. „Grenze zum Bergland“, gefolgt von den genauen Koordinaten. Uns wäre in der Tat keine Zeit geblieben, die Info an den Zauberwald weiterzugeben – und ich wäre ohne meinen besten Freund und meine Halbschwester niemals präzise genug gelandet.
Also wirbelten wir zu dritt sofort weiter durch die Dimensionen und landeten nur eine Sekunde später an der angegebenen Position: 25 Meter von der Grenze zum Bergland entfernt, auf neutralem Land. Auf der anderen Seite, ebenfalls 25 Meter von der Grenze, standen Mathilda, die Schwester der magischen Hyäne Rosalie, die ihr vor allem unter Heinz kennt, und ein Kater, den ich seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen und wirklich nicht vermisst hatte: Hakoon, der personifizierte Albtraum meiner Kindheit (=> Schneesturm). Er war zu einem riesigen, massigen Kater herangewachsen. Zwischen beiden kauerten Spring und Anton. Sie schienen unverletzt, zumindest äußerlich. Spring. Mein Herz fing an zu rasen, als ich sie sah. Gleich wäre sie wieder bei mir. Und gleich würde ich Penny verlieren. Das war doch nicht fair. Das war doch alles nicht fair. Konnten wir nicht doch …?
Penny musste gespürt haben, was in mir vorging.
„Mach keinen Unsinn, Merlin. Schau“, sie wies auf die Ausläufer der Berge, „das sind bestimmt fast 50 Tiere, die die ganze Aktion bewachen. Eine falsche Bewegung und wir sind alle im Land der Ahnen.“
Meine Augen suchten die Umgebung ab; verdammter grüner Troll, sie hatte Recht. Überall lauerten, halb versteckt hinter Felsen und Büschen, unheilvolle Tiere. Lediglich Minna entdeckte ich nicht. Die befand wahrscheinlich weit weg an einem sicheren Ort.
Hakoon unterbrach meine Gedanken:
„Snowflake, hör genau zu. Das Ganze läuft folgendermaßen ab: Ich werde gleich bis drei zählen. Dann läuft Penny in deiner Begleitung los. Langsam. Ganz langsam, verstanden? Du, Merlin, rührst dich nicht von der Stelle, sonst erledigen wir euch alle sofort. Mathilda macht sich gleichzeitig mit euren beiden Katzen auf den Weg. Ihr trefft euch in der Mitte. Direkt auf der Grenze. Dann dreht ihr uns auf mein Kommando alle vier den Rücken zu. Mathilda bringt Penny zu uns. Und ihr verharrt fünf Minuten in dieser Position. Kein Blick zu uns. Kein Angriffsversuch. Nichts. Sonst wird das hier sehr blutig. Verstanden?“
„Verstanden“, bestätigte Snowflake.
Und auch ich nickte sicherheitshalber.
„Ich bin mal nett“, fuhr Hakoon fort. „Ich gebe euch ne halbe Minute, um euch von der Verräterin zu verabschieden.“ Er lachte dabei jenes hässliche Lachen, das mir schon in meiner Kindheit einen Schauer über den Rücken gejagt hatte.
„Wie großzügig“, murmelte Snowflake und fuhr Penny mit seiner großen, langen Zunge über das Fell. „Viel Glück, kleine Penny.“
„Danke für alles“, flüsterte sie und wandte sich dann an mich:
„Mach‘s gut, großer Bruder, ich danke dir, dass du mir eine Chance gegeben hast.“
Und auf meinen kurz irritierten Blick fügte sie schnurrend hinzu: „An dir ist einfach nichts Halbes“ und bezog sich damit auf die Tatsache, dass wir verschiedene Väter haben und „nur“ Halbgeschwister sind. Doch das war inzwischen egal, da hatte sie schon recht.
Sie rieb ihr Köpfchen an meinem, dann – noch bevor ich etwas erwidern konnte – begann Hakoon zu zählen.
„Eins, zwei, DREI!“
Snowflake und Penny setzten sich in Bewegung, genau wie Mathilda, Spring und Anton. Langsam. Unendlich langsam.
Es kribbelte in meinen Pfoten, ich wollte losrennen, Spring entgegen und hinter Penny her.
Doch ich hielt mich an Hakoons Anweisungen und zuckte vorsichtshalber nicht mal mit den Schnurrhaaren. Wer von euch schon mal eine Katze in einer Wohnung gesucht hat, weiß, wie unbeweglich wir irgendwo sitzen können, miau.
Endlich erreichten alle fünf fast zeitgleich die Grenze.
„Umdrehen“, ertönte sofort Hakoons Stimme. Ich gehorchte eiligst und kniff zusätzlich die Augen fest zusammen, das half auch, die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Es folgten die längsten fünf Minuten meines Lebens.
Dann hörte ich Snowflake, der die Sekunden heruntergezählt haben musste, rufen: „Zeit ist um!“, gefolgt von der nüchternen Bemerkung: „Sie sind weg.“

Rasch drehte ich mich um und blickte in die grünsten Augen aller Welten, noch fünfundzwanzig Meter von mir entfernt. Doch ich sah nichts anderes mehr. Nur Springs Augen – und rannte los, ihr entgegen; sie war ihrerseits bereits losgesprintet. Nach wenigen Metern prallten regelrecht aufeinander. Schnurrend und weinend gleichzeitig, purzelten wir auf den Boden, schmiegten uns aneinander, putzten uns gegenseitig, alles ohne Worte.
Bis uns Snowflake unterbrach: „Tut mir leid, ihr zwei. Aber wir sollten sicherheitshalber sehen, dass wir hier wegkommen.“
Sein Blick glitt über Anton und Spring, dann fuhr er fort: „Seid ihr verletzt? Könnt ihr springen?“
Es war Anton, der antwortete, wie immer ruhig und besonnen: „Beides nein. Sie haben uns einigermaßen gut behandelt. Ein paar Kratzer, nicht weiter schlimm. Aber sie haben unsere Magie geblockt. Könntest du vielleicht …?“
Er sah Snowflake bittend an, der sofort seine Magie aktivierte und einen dunkelgrünen Energiestrahl erst über Spring und dann über Anton streifen ließ.
„Besser. Danke“, seufzte Spring erleichtert.
Große Katze im Himmel, war das schön, ihre Stimme wieder zu hören.
„Wir beide springen zu Anna. Und dann hole ich Hanne, damit sie dich durchcheckt. Und dann müssen wir überlegen, wie wir Penny zurückholen und …“
„Langsam, Schatz“, Spring hatte sich bereits gefangen. „Ja, wir zwei springen zu Anna. Hanne brauch ich aber nicht. Es sind wirklich nur einige Schrammen. Ich muss lediglich eine Runde schlafen, dann bin ich wieder auf dem Damm, okay? Ihr zwei“, sie sah Anton und Snowflake an, schon wieder ganz das Vorstandsmittier, „reist in den Zauberwald, einverstanden? Anton ruht sich ebenfalls aus. Und du, Snowflake, schickst alles an Spion*innen los, was wir haben. Wir müssen sie finden. Wir müssen Penny finden.“
Bei den letzten zwei Sätzen brach ihre Stimme und sie warf mir einen besorgten Blick zu.
‚Nicht jetzt‘, murmelte ich in Gedanken wieder. ‚Nicht jetzt‘.
Anton und Snowflake stimmten zu und so verließen wir die Grenze zum Bergland alle mit einem Sprung durch die Dimensionen.

Wir waren kaum in der Wohnung angekommen, da ließ sich Spring von Anna eine doppelte Portion Trockenfutter in meinen Napf füllen, verschlang diese, wankte ins Bett und schlief ein. Ich legte mich ganz dicht neben sie und bewachte ihren Schlaf, während es in meinem Kopf ratterte.
Wo war Penny jetzt? Wie ging es ihr? Würden wir sie rechtzeitig finden? Würde ihr die Flucht gelingen? Oder war es längst zu spät?
Irgendwann riss mich mein Funkgerät aus diesen Gedanken und Snowflake teilte mir mit, dass fast der gesamte Zauberwald dabei war, das Magische Universum nach ihr und Minnas Bande abzusuchen.
Spring, durch das Piepsen geweckt, murmelte was von „immer noch Hunger“ und tapste in die Küche. Nachdem sie eine weitere Portion ihres geliebten Trockenfutters verputzt und mich gezwungen hatte, wenigstens ein paar Bröckchen davon zu knabbern, zogen wir uns auf den Balkon zurück. Dort begann Spring mit leiser Stimme zu berichten, was sie und Anton erlebt hatten:
„Es ging so schnell alles, Merlin. So aberwitzig schnell. Ich wurde wach, als wir in die Luft geschleudert wurden, in diesem Netz, und wusste gar nicht, was passierte. Ich hatte richtig Panik. Keine Chance zu kämpfen, wir zappelten wie hilflose Fische in diesem Netz. Nach ein paar Sekunden sind wir unsanft gelandet. Ich nehme an, auf diesem Boot. Dort traf uns sofort der Zauber, der unsere Magie blockierte – und dann wurden wir schon durch die Dimensionen gewirbelt, immer noch in diesem Netz. Es erschien mir endlos lang. Und irgendwie muss ich dann ohnmächtig geworden sein.“
Hatte sie zunächst zögerlich begonnen, sprudelten die Worte nun wie ein Wasserfall aus ihr heraus:
„Das ist peinlich, aber … ich … ich mein, ich schlief, als der Angriff kam. Das war alles zu viel. Wach wurde ich auf einem Sofa. Anton erklärte mir, dass wir genau in diesem Raum gelandet wären. Wir konnten nicht viel reden, das hatten uns Mathilda und Hakoon, die uns bewachten, verboten. Sie ließen uns nicht eine Sekunde aus den Augen. Das Zimmer sah aus wie eins aus diesen alten Villen, die es auf der menschlichen Welt gibt. Aber die Fenster waren verdunkelt. Ich hab keine Ahnung, wo wir waren, Merlin. Snowflake sollte die Suche vielleicht auf die menschliche Welt erweitern. Jedenfalls haben sie uns halbwegs anständig behandelt, wir bekamen sogar etwas zu essen angeboten; aber wir haben beide abgelehnt. Aus Prinzip“, sie schnaubte kurz. „Sie haben uns erst kurz vor der Übergabe gesagt, was sie vorhaben. Hakoon hatte zuvor jede Frage abgeblockt. Als Anton zwischendrin hartnäckig wurde, drohte ihm Mathilda, ihn auf der Stelle zu töten, wenn er nicht aufhörte. Es war grauenvoll. Ich glaub, ich hatte noch nie solche Angst. Auch davor, dich womöglich nie wiederzusehen. Irgendwann bekam Mathilda einen Funkspruch. Und dann ging es los. “
Sie atmete tief aus und lehnte sich an mich. Ich genoss ihre Wärme, ihren weichen Pelz, ihre Nähe. Als sie schließlich den Kopf hob und mich fragend ansah, erzählte ich ihr in knappen Worten, was ich die letzten Stunden erlebt hatte. Nüchtern, sachlich. Emotionslos.
Ihr Blick ruhte prüfend auf mir, doch sie verstand, dass es nicht die Zeit war, darüber zu reden, wie es mir ging. Schließlich sagte sie: „Ich muss noch mal schlafen. Und das solltest du auch dringend tun. Du siehst aus, als kippst du gleich von den Pfoten.“
Ich erwiderte nichts, folgte ihr aber, als sie schnurstracks Richtung Bett lief, und kuschelte mich neben sie. Tatsächlich schlief ich für einige Minuten ein, schreckte aber sofort auf, als ich ein Geräusch vernahm.
Doch es war nur Anna, die den Abwasch machte. Leise stand ich auf und ging in die Küche. Ich musste mich beschäftigen, sonst drehte ich durch, und so half ich Anna dabei, in der Küche klar Schiff zu machen, plante mit ihr den nächsten Tag und spielte mit Lia. Hin und wieder sah ich nach Spring. Kurz: Ich funktionierte einfach, obwohl ich aus Angst um Penny kaum atmen konnte.
Tja, meine Zauberhaften, das wäre eine gute Möglichkeit, einen kleinen Exkurs zu „Trauma/Dis/pDIS und Funktionalität“ zu unternehmen. Doch ich habe mich entschlossen, dass ich das ausgliedere und in einer Anmerkung veröffentlichen werde, miau. Das Thema ist mir zu wichtig, als es hier nur kurz anzureißen. Und außerdem sind es sechs Seiten geworden, miau.
Doch zurück zu jenem sich endlos ziehenden Tag. Als sich schließlich Anna & Co am frühen Abend zu der immer noch tief und fest schlafenden Spring ins Bett kuschelten, vertrieb ich mir die Zeit mit Schreiben. Die Suche nach Penny war bisher ergebnislos. Die Möglichkeiten, wohin sie geflohen sein könnten, waren schier unendlich. Snowflake schickte mir einmal in der Stunde eine Nachricht. Mir blieb nichts als die verzweifelte Hoffnung, dass Penny die Flucht gelingen würde. Irgendwann verschwammen die Buchstaben vor meinen Augen und ich war wohl doch eingeschlafen, mit dem Kopf auf der Tastatur von Annas Laptop. Die Erschöpfung hatte ihren Tribut gefordert. Das Ergebnis waren unendlich viele Seiten mit wilden Buchstabenkombinationen, wie ich später feststellte, und ein paar verstellte Einstellungen.
Doch das war mir in dem Moment, als ich aus dem Schlaf hochschreckte und verwirrt auf den Monitor starrte, ziemlich egal, miau. Dann begriff ich: Ein lautes Poltern auf dem Balkon hatte mich geweckt. Blitzschnell sprang ich vom Küchenstuhl und flitzte mit noch immer halb geschlossenen Augen ins Zimmer und öffnete die Balkontür. Die Kälte machte mich sofort hellwach.
CN 1 Verletztes Tier
Da lag sie. Auf dem kalten, harten Boden. Penny. Schwer verletzt. Mehr tot als lebendig. Mit zwei Schritten war ich neben ihr, beugte mich über sie. Sie atmete noch, wenn auch flach und unregelmäßig. Im nächsten Moment waren Anna und Spring bei uns. Anna mit einem Handtuch, in das sie Penny ganz vorsichtig wickelte. Spring mit ihrem Funkgerät. Sie sprach mit Tasso, bat ihn, Hanne sofort mit dem Auto zu uns zu schicken. Penny müsse so schnell wie möglich in eine Tierklinik. Wie durch einen Nebel hörte ich sie Tasso instruieren, während ich mich dicht an Penny schmiegte und leise mit ihr sprach.
„Halt durch“, schnurrte ich in ihr Ohr. „Hilfe ist unterwegs.“
Für einen winzigen Moment öffnete sie die Augen.
„Ich hab doch gesagt, dass ich wiederkomme“, wisperte sie und klang trotz der Schmerzen, die sie haben musste, zufrieden. Dann verlor sie das Bewusstsein.
Die fünfzehn Minuten, die Hanne brauchte, um zu Annas Wohnung zu kommen, kamen mir vor wie eine Ewigkeit, wie schon die ganzen letzten Stunden.
Als Hanne Penny behutsam in die mitgebrachte Transportbox legte, warf ich Spring einen fragenden Blick zu. Sie verstand sofort:
„Fahr mit. Ich bleib bei Anna und den anderen.“
Und Anna fügte hinzu: „Penny braucht dich jetzt mehr als wir. Wir kriegen das schon hin.“
So schlüpfte ich schnell in den zum Glück recht geräumigen Korb und legte mich neben Penny. Dann waren wir schon im Auto und Hanne heizte los. Sie schaffte die Strecke zur nahe gelegenen Tierklinik in der halben Zeit und so war Penny nur zwanzig Minuten später in den Händen einer erfahrenen Tierärztin. In der Klinik war zum Glück nicht viel los und Pennys Wunden konnten sofort im OP versorgt werden.
Hanne und ich saßen derweil vor der Klinik, drinnen hielt ich es einfach nicht aus. Wieder hieß es warten, bangen und hoffen. Ich sprach gerade zum x-ten Mal mit Mascha und Snowflake per Funk, als die Tierärztin mit ernstem Gesicht zu uns herauskam.
Sie wandte sich an Hanne: „Ihre Katze hat die OP überstanden. Aber ich will ehrlich sein, die Verletzungen sind schwer. Ich habe solche Wunden noch nie gesehen. Wir werden sie weiter beobachten, aber Sie sollten sich darauf einstellen, dass sie die Nacht nicht übersteht.“
Mir entfuhr ein Schrei, doch Hanne legte beruhigend eine Hand auf meinen Rücken.
„Ich werde Penny mit nach Hause nehmen“, teilte sie der Tierärztin mit, in einem Tonfall, der keine Widerrede duldete. Und Erleichterung durchfuhr mich. Wenn hier auf der menschlichen Welt eins magische Verletzungen heilen konnte, dann Hanne.

Bei Hanne und Tasso zu Hause angekommen, versorgte Hanne Pennys Wunden mit jener schrecklich stinkenden Salbe, mit der sie damals auch meine verletzte Pfote geheilt und mir meine magischen Kräfte zurückgegeben hatte. Dann flößte sie ihr die nach Himbeerpudding schmeckenden Tropfen ein, an die ich mich ebenfalls gut erinnerte, und legte sie in ein weich gepolstertes Körbchen in einen kleinen ruhigen Raum. (=> 2. Wie alles anfing)
Tasso und ich wachten die ganze Nacht an ihrer Seite. Nach einigen Stunden bot ich ihm an, dass er ruhig schlafen könne; er sah völlig fertig aus. Doch er lehnte ab.
„Ich lasse dich nicht allein. Und Penny auch nicht.“
Der Satz ließ mir die Tränen in die Augen schießen. Ich erinnerte mich daran, wie er vor so vielen Jahren stoisch an meiner Seite gelegen und auf mich aufgepasst hatte. Und ich war damals wirklich nicht besonders nett zu ihm gewesen. Er ist auf seine Art einer der besten Kumpel, die eins haben kann. Ja, ich war endlos überreizt und daher wohl etwas rührselig. Jedenfalls konnte ich mit einem Mal nicht mehr aufhören zu weinen.
Ende CN 1
Und dann, nach ein paar Minuten, flüsterte mir eine Stimme kaum hörbar zu: „Merlin, könntest du es bitte sein lassen, das Körbchen mit deinen Tränen unter Wasser zu setzen?“
Penny. Sie war wach. Mir liefen die Tränen noch stärker, jetzt vor Erleichterung. Sie lebte und sah mich aus müden Augen an.
Es dauerte noch eine Weile, bis ich mich beruhigt hatte, dann aber kuschelte mich unendlich erleichtert an sie.
Einige Zeit später sah Hanne nach Penny, wechselte die Verbände und die durchgeheulten Kissen und verkündete, selbst sehr erleichtert wirkend: „Du bist über den Berg, Penny. In drei oder vier Wochen wirst du wieder richtig fit sein. Bis dahin bleibst du hier.“
Dann fiel ihr Blick auf mich: „Und für dich hole ich jetzt mal ein paar Nerven stärkende Tropfen. Du bist ja auch völlig fertig.“
Ich habe keine Ahnung, was das für ein Zeug war. Aber ich schlief an Pennys Seite fast zwölf Stunden lang durch.
Nach ein paar Tagen war Penny kräftig genug, um mir zu erzählen, was nach der Übergabe an der Grenze zum Bergland geschehen war:
CN 2 Einsperren, Kampf
„Wir sind in einer Art Burg gelandet. So etwas habe ich in der Magischen Welt noch nicht gesehen. Sie war in die Felsen eines großen Gebirges gebaut. Ein düsterer Koloss. Hakoon sperrte mich erst einmal in einen dunklen, kalten Kellerraum. Hab mich mit Absicht nicht gewehrt – und es hat funktioniert. Der Kerl vergaß tatsächlich, meine Magie zu blocken“, sie lachte leise. „Schätze, Minna hat ihn dafür inzwischen mindestens zwei Köpfe kürzer gemacht. Ich war darauf eingestellt, dass sie mich erst einmal ein paar Stunden schmoren lassen würden. Das hat Nero früher so gehandhabt.
Doch schon nach kurzer Zeit erschien Mathilda mit Wilma im Schlepptau. Die Hyäne musterte mich verächtlich. Wilma dagegen vermied es, mich anzusehen, und hielt den Blick fest auf den Boden gerichtet. Dann – ohne große Vorrede – befahl Mathilda ihr, mich auf der Stelle zu erledigen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war davon ausgegangen, dass sie mich erst einmal mehrere Stunden in die Mangel nehmen würden, um zu erfahren, was ich euch an Informationen gegeben habe. Ich hatte einen Plan, Merlin, ich wollte so tun, als würde ich kooperieren – und dann zuschlagen, wenn sie sich in Sicherheit fühlten – aber das …“, sie atmete tief aus und fuhr fort:
„Als Wilma den Blick endlich hob, sah ich in ihren Augen nackte Angst. Ihr Blick flackerte, sie zitterte am ganzen Körper. Sie wollte mich eindeutig nicht töten. Ich nehme an, dass das ihre Strafe für den heimlichen Kontakt mit mir sein sollte. Sie muss beim letzten Funkgespräch tatsächlich erwischt worden sein, da bin ich mir inzwischen sicher. Jedenfalls zögerte sie – und Mathilda brüllte sie an, sie solle mich jetzt erledigen oder ihr letztes Stündlein hätte geschlagen. Und ich? Ich war so geschockt, dass ich nicht angriff. Auch nicht, als ich sah, wie Wilma ihre Magie aktivierte. Zum Glück verfehlte mich ihr Magiestrahl um Längen, weil sie so zitterte. Naja, und dann bin ich endlich zu mir gekommen und habe angegriffen. Als erstes schleuderte ich Wilma mittels eines Magiestrahls in eine Ecke und verpasste in der nächsten Sekunde der völlig überraschten Mathilda den ersten Schlag. Die Einzelheiten des wirklich blutigen Kampfes mag ich gar nicht erzählen, Merlin. Mathilda versuchte mehrmals, meine Magie zu blocken. Aber du weißt ja, wie schwer dieser Zauber ist. In einem Kampf ist es fast unmöglich, ihn erfolgreich durchzuführen. Es ging Schlag auf Schlag. Wir waren beide schon heftig verletzt, als Mathilda brüllend Hilfe anforderte, die Stimme magisch verstärkt. Das muss in der ganzen Burg zu hören gewesen sein – und mir zerfetzte es fast mein Trommelfell. Du weißt ja, wie empfindlich meine Ohren sind. Als ich mich vor Schmerzen krümmte, schoss sie in schneller Folge einen bösartigen Zauber nach dem nächsten auf mich ab. Ich habe keine Lücke mehr gefunden, um zurückzufeuern und mein eh schon brüchiger magischer Schutzschild brach zusammen. Sie ist wirklich, wirklich ein mächtiges unheilvolles Tier. Schließlich lag ich am Boden, hörte einige Unheilvolle den Gang runterrennen und sah Mathilda zum tödlichen Schlag ausholen. Ich dachte, das war`s, Merlin. Doch dann … dann wurde ich gepackt und schon wirbelte ich durch die Dimensionen. Nur für einen Moment habe ich in Wilmas Augen gesehen. Sie hat mich gerettet, Merlin. Sie hat mich echt gerettet und muss mich über Annas Balkon fallengelassen haben. Der Aufprall war heftig. Doch plötzlich warst du neben mir und Spring und … ich war so froh, so froh, dich zu sehen. Aber dann wurde es dunkel um mich. Bis zu dem Moment, als du hier alles nass geheult hast.“
Ende CN 2
Sie brach ab. Ich war sprach- und fassungslos und so schnurrte ich einfach tröstend in ihr Ohr, während ich versuchte zu verdauen, was sie mir erzählt hatte. Das war knapp gewesen. Verdammt knapp. Wäre Wilma nicht gewesen, wäre Penny jetzt im Land der Ahnen (=> Wissenswertes 2). Sie hatte sie vermutlich mit dem Mut der Verzweiflung gerettet! Dank ihr lag meine Schwester nun neben mir. Dieses verdammt aufregende, Nerven zerfetzende Abenteuer war nicht nur vorbei, sondern alles in allem am Ende auch noch gut ausgegangen, miau.
Okay, wir hatten wieder mal keine Idee, wo sich Minna und ihre Bande aufhielten, aber ehrlich gesagt, war mir das in dem Moment so was von egal, ich hatte weder Spring noch Penny verloren, das war alles, was zählte.
Wir haben lange gebraucht, Penny und ich, uns von diesen endlosen sechsunddreißig Stunden zu erholen. Spring dagegen war nach zwei Tagen Schlafen und Futtern wieder ganz die alte. Große Katze im Himmel sei Dank.
Tja, was fehlt noch?
Nun, ich habe gründlichst nach Wilma gesucht, als ich wieder zu Hause war. Ich fand aber hier in der Umgebung keine Spur von ihr und so blieb uns nur zu hoffen, dass sie sich in Sicherheit gebracht hatte, denn sie hatte sich Minna und ihre Bande durch die Rettung Pennys mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erbitterten Feind*innen gemacht.
Und zumindest war jetzt klar, dass sie Penny nicht verraten hatte. Doch wer dann? Ich war noch immer am Grübeln, woher die Unheilvollen von Spring und Anton gewusst hatten. Vermutlich waren sie darauf gefasst gewesen, dass wir ihren Unterschlupf aufspüren würden, nachdem Wilma das mit dem Boot herausgerutscht war. Doch sie mussten auch die Information gehabt haben, dass es sich lediglich um zwei Katzen handelte – und nicht um den halben Zauberwald, der sie hopsnehmen wollte –, die genau an jenem Abend in der Nähe ihres Unterschlupfs auftauchen würden. Sonst wären sie doch wohl vorher geflohen. Diese Aktion mit dem Netz, die ich im Schilf hockend beobachtet hatte, hatte auf mich gut vorbereitet gewirkt. Aber vielleicht interpretiere ich da auch zu viel rein. Vielleicht war es doch Zufall gewesen, dass Karina die beiden entdeckte. Vielleicht. Vielleicht auch nicht.
So, meine zauberhaften Fans, für heute schließe ich. Aber wir lesen uns. Bis bald.
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Es grüßt euch herzlich euer Merlin.
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Hartmut (Sonntag, 06 April 2025 12:49)
Lieber Merlin,
der Anfang der Geschichte war eine herzergreifende Liebesgeschichte – dass ihr euch wiedergefunden habt, war einfach schön. Aber dann ging es richtig los. Ich musste zwischendurch immer wieder eine Pause einlegen, weil es so spannend und schrecklich war und man richtig mitfiebern konnte.
Und wie Penny später erzählte, was dann noch alles passiert ist – Merlin, das war eine ganz wunderbare und zugleich harte Geschichte. Meine Vermutung ist ja, dass die Unheilvollen in unserer Welt sind. Das würde irgendwie passen. Und ich hoffe sehr, dass Wilma es wirklich schafft.
Aber all das werde ich vielleicht irgendwann noch erfahren.
Danke, Merlin.
firefly (Samstag, 12 April 2025 17:25)
eine spannende geschichte!