Miau und hallo, meine zauberhaften Leser*innen,
orrr, am vorletzten Wochenende hat es Anna gepackt – und sie hat das jährliche Ausmisten gestartet. Danach ist es hier immer super ordentlich und in einer kleinen Wohnung ist es ja auch wirklich sinnvoll, einmal im Jahr Platz zu schaffen und alle Schränke und Regale etc. durchzusehen und aufzuräumen. Aber bis dahin haben wir erst mal zwei Tage Chaos in der Wohnung und sie macht dabei regelmäßig leider mein Geheimversteck ausfindig (=> Geschichte 3) und nimmt mir die mühsam zusammengesammelten Schätze wieder weg. Ist eine der Aktionen hier, die ich nicht besonders mag und bei der meine Hilfe ausnahmsweise mal nicht erwünscht ist. Murr. So wurde ich auch dieses Mal relativ schnell auf den Balkon verbannt, damit ich Anna „nicht ständig vor den Füßen rumrenne“ (O-Ton).
Irgendwann rief sie mich und hielt dabei ein recht zerfleddertes schwarzes Notizbuch hoch, was sie zu Recht als meins identifiziert hatte. (Nein, ich weiß nicht, wie das zwischen die Sommer-Socken geraten ist.)
„Kann das weg?“, Anna blickte fragend in meine Richtung.
„Nein!“, schallte es ihr energisch von zwei Seiten entgegen. Einmal von mir und einmal von innen. Von Lizzy.
Lizzy kennt ihr noch nicht. Lizzy ist ein sehr besonderer Anteil und übernimmt zeitweise den Job der zweiten Host (=> Geschichte 3), wenn Anna mal wieder sehr am Ende ist. Lizzy ist praktisch das komplette Gegenteil von Anna. Klingt vielleicht seltsam und kitschig, aber sie ist sowas wie unser Herz. Lange hat Anna gedacht, Lizzy sei der Kern des Systems, sowas wie der Ursprungsanteil. Aber die Theorie, dass es in einem DIS-System immer auch einen Anteil geben muss, der die ursprüngliche Persönlichkeit darstellt, ist, soweit ich weiß, inzwischen widerlegt. Trotzdem kommt Lizzy dem von allen Anteilen am nächsten, obwohl auch sie die Vergangenheit nicht unbeschädigt überstanden hat, wie es ein Kern eigentlich hätte tun sollen. Naja, Theorie und Praxis halt.
Also, in dem alten Notizbuch, das ich Anna schnell entwendet hatte, damit sie es nicht doch entsorgte, stand die allererste Geschichte, die ich je geschrieben habe. Zusammen mit Lizzy. Lange her. 20 Jahre, denke ich. Lizzy war damals dabei, vollends in eine Depression abzugleiten, begleitet von einem heftigen Schub der Fibromyalgie, einer Schmerzerkrankung, die Anna & Co schon einige Jahre plagte. An manchen Tagen konnte sie sich vor Schmerzen kaum bewegen. Jedenfalls schaute sie damals fast rund um die Uhr irgendeine Serie, wenn sie nicht gerade weinte, vor innerem und äußerem Schmerz. Es ging damals allen nicht gut, aber Lizzy hatte es am schlimmsten getroffen.
Ihre damalige Beziehung war sehr unschön in die Brüche gegangen; was da genau passiert ist, darf ich aus Gründen nicht öffentlich schreiben, da hat Anna ihr Veto eingelegt. Ist auch nicht so wichtig.
Wichtig ist, dass es Lizzy das Herz gebrochen hatte. Ich war in großer Sorge und schlug ihr eines Abends beim Ins-Bett-Gehen vor, dass wir zusammen eine Fantasiereise machen könnten, an einen Ort, an dem sie all das mal vergessen könnte. Ich hatte mir auch schon ausgemalt, wo das sein könnte, liebte Lizzy doch besonders eine australische Serie, die auf einer Farm spielt. Zunächst gab Lizzy ihre Zustimmung und ich fing an, sie in diese fiktive Welt zu führen, aber dann brach sie ab. Auch das war ihr zu viel. Wie eigentlich alles zu der Zeit.
Ich hatte mir das alles gut überlegt, was in der Imagination vorkommen sollte: ihr Lieblingsort, Tiere, Lieblingsessen und -bücher, eine fiktive Person, die sie mochte. Aber gut, was nicht geht, geht nicht. So blieb mir wieder nichts anderes übrig, als leise schnurrend neben ihr zu wachen, während sie in einen unruhigen Schlaf fiel.
Doch anders als all die letzten Wochen schlief sie relativ lang – und auch von den anderen erwachte keine:r zu der gewohnt frühen Zeit. Das war gut und kein Problem, denn Anna hatte sich vernünftigerweise krankschreiben lassen. Lizzys Verfassung ließ es einfach nicht zu, arbeiten zu gehen. Also schlich ich mich leise auf den Balkon, um selbst noch ein bisschen zu schlafen. Frühstück konnte ausnahmsweise mal warten; Schlaf für alle war wichtiger.
Ich war tatsächlich in der Morgensonne auch noch mal eingenickt und wurde erst wach, als Lizzy mit einer Tasse Kaffee den Balkon betrat und sich zu mir setzte.
„Ich hab vielleicht seltsames Zeug zusammengeträumt“, während sie sprach, kraulte sie mich liebevoll hinter dem Ohr.
„Ein Albtraum“, fragte ich besorgt.
„Nein“, sie schüttelte den Kopf, „also an einigen Stellen war`s schon hart. Aber nicht nur.“
„Warum hast du nicht nach mir gerufen?“ (Wie ihr aus der Geschichte => Heimweh wisst, kann ich die Dimension der Träume betreten, sofern ich im Traum um Hilfe gebeten werde.)
Sie grinste müde: „Weil du schon da warst. Auch wenn ich am Anfang des Traumes offenbar nicht mal mehr wusste, dass du ein Zauberkater bist. Bin schon arg durcheinander.“
Oh!
„Das war echt ein halber Roman, den ich da zusammengeträumt habe. Deine Idee mit der Fantasie-Reise hat da eindeutig ne Rolle gespielt bei.“
Ich sah Lizzy prüfend an, wusste nicht so recht, ob das jetzt gut oder schlecht war und ich in den Anfang der Fantasie-Reise nicht doch ein kleines bisschen zu viel Magie gepackt hatte.
Jepp, meine Fantasie-Reisen sind magisch, was habt ihr denn gedacht? Dadurch werden die imaginären Bilder stärker, eindrücklicher. Aber damit muss ich sehr vorsichtig umgehen. Generell ist bei Menschen mit DIS/pDIS bei Imaginationen Vorsicht angesagt. Das kann schnell was antriggern. Passt da immer gut auf auf euch – und gestaltet Anleitungen im Zweifel auch um, so wie es für euch gut ist.
„Magst du ihn hören?“, fragte Lizzy nun in meine Überlegungen hinein und begann noch, bevor ich nicken konnte, zu erzählen.
Jo, das war wirklich ein halber Roman gewesen. Da hatte sie Recht. Sie seufzte, als sie geendet hatte und ich rechnete schon damit, dass sie reingehen und den Fernseher anmachen würde wie all die letzten Wochen, als sie fragte:
„Hast du vielleicht Lust, das mit mir zusammen aufzuschreiben? Wir könnten da doch eine Geschichte draus machen.“
Ja -und wie. Ich kletterte geschwind von meinem Stuhl, klaute eins von Annas leeren Notizbüchern und einen Stift und kehrte auf den Balkon zurück.
Tja, und dann haben wir die nächsten Tage stundenlang in der Sonne gesessen und gemeinsam geschrieben. Meine/unsere erste Geschichte, im Gegensatz zu den anderen hier rein fiktiv. Natürlich.
Auch jetzt kam Lizzy zu mir auf den Balkon, während ich in dem kleinen Notizbuch las.
„Hat mich damals irgendwie gerettet“, sprach sie leise aus, was mir schon lange klar war. „Danke.“
Der Schmerz über das Verlassenwerden hatte noch lange angehalten, aber die Gefahr, komplett abzurutschen, hatte unsere kleine Schreibaktion damals tatsächlich gebannt.
Ich mag die Geschichte sehr – und werde sie auf dem Blog veröffentlichen, damit ihr sie auch lesen könnt. Lizzys Okay dazu habe ich, unter der Bedingung, dass ich nicht viel verändere. Wir haben damals die Perspektive eines allwissenden Erzählers verwendet, das ist für euch vermutlich erst mal ungewohnt. Aber ich denke, das schafft ihr schon 😉.
Also, in 14 Tagen kommt sie dann, die Geschichte „Zuhause (Traum 2)“. Bis dahin wünsche ich euch eine zauberhafte Zeit. Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen. Wie immer: Ihr dürft mir gern hier oder auf meinen Social Media Accounts einen Kommentar hinterlassen.
Es grüßt euch herzlich euer Merlin.
Kommentar schreiben
MariaAndrea (Dienstag, 06 Juni 2023 15:22)
Lieber Merlin, oh wie gut ich das kenne. Nicht gleich, doch ähnlich. Bin sehr gespannt auf deine Erzählung von Lizzy. Gruß mit ���� MariaAndrea
@energiepirat (Dienstag, 06 Juni 2023 17:36)
Danke lieber Merlin, sehr fesselnd. Spricht mich an.
Noch ein Merlin :-) (Dienstag, 06 Juni 2023 18:07)
Hallo Merlin, ich bin im Moment nicht so oft im Netzt, bzw. bei Twitter oder Mastodon online. Es gibt viel nachzuholen, Schönes als auch weniger Schönes. Aber was muss das muss. Es gibt auch Besonderes beim Nachholen, auf das man sich freut, das Abends genau richtig ist. Und das sind deine wunderbaren Geschichten. Mit dieser tollen Geschichte bin ich nun wieder up to date und sehr gespannt auf das was folgt, im Zuhause - Traum 2 :-) Ich freue mich drauf und wünsche dir weiterhin ganz viel Erfolg und Spaß, du Twitter- und Mastodon-Perle :-)
Jule (Donnerstag, 08 Juni 2023 16:01)
Das wird ja spannend. Ich kann es kaum erwarten.
firefly (Donnerstag, 08 Juni 2023 20:49)
freue mich auf die Geschichte :)
� (Samstag, 10 Juni 2023 10:04)
❤️ liebe Grüße an Lizzy, bin jetzt ganz gespannt auf den Traum �⬛
Hartmut (Dienstag, 03 September 2024 21:15)
Hallo Merlin,
so wie ich das verstehe, habt ihr beide, du und Lizzy (trauriger Anlass), durch diese erste Geschichte eigentlich angefangen, dieses Buch zu schreiben. Auch wenn es kein schöner Anfang war, ist es dennoch eine tolle Idee.
Ja, dieses Antriggern ist schon ein Problem für mich. Jedes Mal, wenn ich mich mit einem System in Threads unterhalte, habe ich immer Angst, dass ich durch bestimmte Worte jemanden von den Personen, die vorne sind, triggere. Deswegen ist es für mich immer schwierig, mehr zu sagen, als ich möchte. Ich hoffe, dass es mit der Zeit besser wird.
Ich bin jetzt ganz gespannt, aber leider erst morgen früh, wie der Traum 2 weitergehen wird. Schöne Grüße an Anna und Co. und natürlich auch an Spring.�